Als die Tiere den Wald verließen
ihre normale Marschaufstellung ein und gingen
langsam und bedächtig etwa zwanzig Meter von dem
Naturliebhaber entfernt hintereinander über die Wiese. Der
Maulwurf und die Kröte hatten darauf bestanden, ebenfalls zu
laufen, und die drei Vögel flatterten voraus.
Die Kreuzotter folgte wortlos, und aus Angst, sie könne sich
wieder aufregen, wagte es keiner der anderen, eine Bemerkung
darüber zu machen.
Der Naturliebhaber sah zuerst die Vögel. Dann bemerkte er
die Prozession auf der Erde. Er preßte das Fernglas fester gegen
seine Augen, denn er konnte fast nicht glauben, was er da sah.
Aber als die Tiere weitergingen, wurde ihm klar, daß er Zeuge
eines einzigartigen Naturereignisses wurde. Als die Tiere das
andere Ende der Wiese erreicht hatten, sank er zu Boden und
begann, fieberhaft in seinem Notizbuch zu kritzeln. Sie sahen
ihm eine Weile zu.
»Dein Einfall hat offensichtlich einen ziemlichen Eindruck
gemacht, Dachs«, sagte der Fuchs. »Wir waren das Ereignis des
Tages«, lachte der Dachs fröhlich. »Er wird uns nie vergessen.«
»Aber wir scheinen alle etwas vergessen zu haben!« sagte der
Waldkauz. »Nämlich unsere leeren Mägen!«
30
Die Kirche
Die Tiere verbrachten die wenigen Stunden bis zur Dunkelheit unter der dichten Hecke. Als es dunkel genug war, machten sie sich allein oder in kleinen Gruppen auf, um Futter zu suchen und ihren brennenden Hunger zu stillen. Der Fuchs sagte ihnen, sie sollten sich bei dieser sehr notwendigen und angenehmen Aufgabe soviel Zeit nehmen, wie sie nur wollten, da sie einen ganzen Ruhetag vor sich hatten, bevor sie ihre Reise durch die nahegelegene Stadt fortsetzten. Nur der Turmfalke und der Pfeifer blieben auf der Wiese, wo sie die Nacht über abwechselnd plapperten und schliefen. Es war noch hell gewesen, als sie ihren Hunger gestillt hatten. Der Turmfalke hatte von hoch oben aus der Luft gejagt. Der Pfeifer war eine beträchtliche Strecke geflogen, bevor er einen Bach gefunden hatte, wo er seiner liebsten Freizeitbeschäftigung, dem »Angeln«, nachgehen konnte.
Auch der Maulwurf hatte die Wiese nicht verlassen müssen. Er suchte sich nur ein weiches Stück Erde, und mit einer Geschwindigkeit, die von seinem Hunger sehr beeinflußt war, hatte er sich zu seinem Abendessen durchgegraben.
Als die Tiere zurückkamen, legten sie sich im dichtesten Teil der Hecke zur Ruhe und schliefen einmal rund um die Uhr bis zur Abenddämmerung am nächsten Tag. Vollkommen ausgeruht und mit gesundem Appetit wachten sie nacheinander auf. Diesmal sagte ihnen der Fuchs, sie sollten nur soviel essen, daß es für den nächsten Abschnitt ihres Marsches ausreichte, und sie sollten rasch wieder zurückkehren, da ihr Weg jetzt durch die Stadt führte, die sie nur mitten in der Nacht durchqueren konnten.
Als sie zum Aufbruch bereit waren, war es um einiges kälter geworden. Ein böiger Wind blies. Die Kröte hatte erklärt, sie müßten sich nicht allzuviel Sorgen machen, da es eine ziemlich kleine Stadt sei, die damals bei Nacht sehr ruhig gewesen war. Auf ihr Anraten vermied der Fuchs die Hauptstraße und führte die anderen durch verschiedene Seitengassen, die alle von hohen Backsteinmauern umgeben waren. Die Tiere gingen nah an diesen Mauern entlang, und so fielen sie wirklich kaum auf, da es hier sehr düster und schlecht beleuchtet war. Als sie aus der letzten Gasse traten, begann es gerade zu regnen. Schon bald wurde der Regen stärker, doch den Tieren kam das gelegen, denn jetzt würden die wenigen Menschen, die vielleicht noch unterwegs waren, sicher einen Unterschlupf suchen.
»Das nächste Stück ist das schlimmste«, sagte die Kröte. »Wir müssen einen Platz überqueren. Aber habt keine Angst: zu dieser Zeit ist er bestimmt völlig verlassen.«
Sie überquerten die Straße und betraten den Platz durch einen verlassenen Säulengang mit Einkaufsläden. Der Platz war mit einigen Bäumen bepflanzt. Rasch gingen sie zur Mitte des Platzes. Dort blieben sie wie erstarrt stehen. Unter ein paar Lindenbäumen, deren dichtes Blattwerk einen ausgezeichneten Schutz gegen den Regen bildete, stand etwa ein Dutzend Menschen, hauptsächlich Liebespärchen. »Hier dürfen wir nicht stehenbleiben«, flüsterte die Kröte. »Wir müssen weiter. Die Menschen werden vermutlich nichts unternehmen.« Der Fuchs und die Füchsin fielen in Trab, und die anderen Tiere folgten. Durch die trübe Beleuchtung des Platzes und durch den Regen wurden die Tiere glücklicherweise nicht entdeckt.
Sie bogen um
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