Als die Tiere den Wald verließen
den Gang hinunter. »Bist
du da?« Keine Antwort.
»Maulwurf, wach auf und komm schnell! Ich bin's, der
Dachs! Alle warten auf dich!« Immer noch war nichts zu hören.
»O je«, sagte der Dachs. »Wo mag er nur sein?« Er entschloß
sich, noch einen letzten Versuch zu machen. Er streckte seinen
gestreiften Kopf direkt in den Gang, holte tief Atem und schrie
»M-A-U-L-W-U-U-U-R-F«, so laut er konnte. Er mußte ein
wenig husten und merkte wieder, wie durstig er war. Dann
vermeinte er, ein schwaches Schlurfen zu hören. »H-A-L-L-OO-O!« rief er noch einmal. »Bist... bist du's, Dachs?« kam
eine schüchterne Stimme.
»Ja«, sagte der Dachs, »Komm um alles in der Welt heraus,
Maulwurf! Was machst du denn da drin?« »Ich... ich komme
nicht mit«, sagte der Maulwurf leise.
»Du kommst nicht mit? Was meinst du denn damit? Natürlich
kommst du mit! Und jetzt beeil dich! Die anderen warten alle!« »Nein!« sagte der Maulwurf. »Es nutzt nichts, Dachs. Es ist
lieb von dir, daß du hierherkommst und mich suchst...« Er brach
ab und schluchzte herzergreifend. »Aber... aber ... ich wäre nicht
gut für euch. Ich bin ... zu... langsam.«
»Ach, Maulwurf! Welcher Unsinn!« sagte der Dachs. »Wir
können dich nicht hier zurücklassen. Wie stellst du dir das denn
vor? Bitte komm heraus!« »Sie ... haben gesagt... ich sei... zu
langsam«, sagte der Maulwurf abgehackt zwischen einzelnen
Schluchzern.
»Mach dir nichts daraus, was die anderen gesagt haben«,
entgegnete der Dachs beschwichtigend. »Wir gehen alle
zusammen. Keiner wird zurückgelassen. Denk nur, wie traurig
die anderen sein werden, wenn du nicht mitkommst! Das würden
sie sich nie verzeihen.«
Wieder hörte man ein Schlurfen. »Weißt du was?« fuhr der Dachs fort. Er war überzeugt, daß der Maulwurf schon auf dem Weg durch den Gang war: »Du kannst auf meinen Rücken klettern, und ich trage dich. Ich spüre bestimmt nichts von dir.« »Würdest du das tun, Dachs? Wirklich?« Die Stimme des Maulwurfs schien näher, und schließlich konnte der Dachs ihn sehen, wie er mit seinen Vorderpfoten rudernde Bewegungen
machte und sich so durch die trockene Erde vorwärts arbeitete. Der Dachs zog den Kopf zurück und wandte den Rücken zum
Loch. »Spring hinauf!« sagte er freundlich. Als er spürte, wie
sich der Maulwurf in seinem Fell festklammerte, ging er rasch
auf den Ausgang zu. »Es tut mir leid, daß ich mich so albern
benehme«, sagte der Maulwurf. »Du bist... so lieb zu mir,
Dachs.« »Kein Wort mehr darüber!« antwortete der Dachs, als
sie aus dem Bau kamen. Rasch lief er zurück zur großen Buche.
»Gerade noch rechtzeitig«, brummte er vor sich hin.
Die Kirchturmuhr schlug eben die halbe Stunde, als sie sich
zu den wartenden Tieren gesellten. Der Fuchs wedelte mit dem
Schwanz, als er den Maulwurf auf dem Rücken des Dachses sah,
aber er sagte nichts. »Gut, Turmfalke, wir sind komplett!« rief er.
»Bist du bereit?«
Ohne zu antworten, ließ sich der kleine Falke von seinem
hohen Sitz fallen und segelte elegant über die Hecke. Der
Waldkauz flog an seiner Seite, falls der Turmfalke in der
Dunkelheit irgendwelche Probleme haben sollte, und dahinter
flogen die Fasanen. Die Landtiere setzten sich ebenfalls
gemeinsam in Bewegung. Voraus ging der Fuchs mit dem
Wiesel, und neben ihnen hüpfte die Kröte. Hinter ihnen kamen
die Kaninchen, die Hasen und die Igel; die kleineren Tiere - die
Wühlmäuse, Feldmäuse, Eidechsen und Eichhörnchen - folgten.
Der Dachs und der Maulwurf bildeten zusammen mit der
Kreuzotter, die eilends neben ihnen herglitt, den Abschluß. So rasch wie möglich schlüpften sie durch die Lücken in der
Hecke, traten auf die weite Fläche harter, trockener, unebener
Erde, wo einst Wald gewesen war und wo jetzt die stillen
Planierraupen dastanden wie Ungeheuer, die für den Raubzug
des nächsten Tages Kraft schöpfen.
Der Fuchs hielt die Augen auf den Waldkauz gerichtet, der
langsam etwa vier Meter über der Erde dahinflog. Vor sich
konnten die Tiere ein paar Lichter sehen, die in den Häusern am
Rand der Siedlung brannten, in denen die Menschen noch wach
waren. Der Fuchs sah, wie der Waldkauz sich plötzlich umdrehte und zu ihm zurückgeflattert kam. »Der Turmfalke sagt, die Straßenlichter seien aus!« rief er leise. »Wir haben Glück!« Er
flog wieder weg, ohne auf eine Antwort zu warten.
Die Tiere sahen, wie in den Häusern nach und nach die
Lichter ausgingen, während sie näher kamen. Ab und zu wandten
sie sich zu ihrer alten Heimat um,
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