Als die Tiere den Wald verließen
und Ruhe brachte, konnten die Tiere des FarthingWaldes noch ein paar Stunden schlafen.
Kurz vor Mitternacht wachte der Dachs auf und schaute sich sorgenvoll um. Nie wieder würde er in seiner Kammer hier in seinem geliebten Bau schlafen, mit dem ihn die Erinnerung an seine glückliche Jugend unter der Obhut seiner Eltern verband und der seit Jahrhunderten von seinen Vorfahren benutzt worden war.
Ein letztes Mal schlurfte er durch die Gänge und hielt am Ausgang an, um aufmerksam um sich zu schnuppern. Er fragte sich, ob es im Hirschpark wohl Dachse gab und wo er seinen neuen Bau errichten würde, sofern er den Park jemals erreichte. Es war hart, daß er in seinem Alter von gefühllosen Menschen, welche die Existenz ihrer schwächeren irdischen Mitbewohner völlig zu ignorieren schienen, von seinem Geburtsort und der Heimat seiner Vorfahren vertrieben werden sollte. Er trottete hinaus ins Freie und den Hang hinunter. Unterwegs blickte er immer wieder zurück, und jedesmal sagte er sich, er sei ein sentimentaler Trottel und müsse sein altes Leben vergessen. Er hatte jetzt eine neue Verantwortung, und die war wichtiger. Immerhin war die vor ihm liegende Reise eine interessante Herausforderung und eine Gelegenheit für die Tiere, ihren Verstand mit dem der klugen und listigen Menschen zu messen. Aber es war schwierig, jetzt, wo er seine alte Heimat verließ, nicht traurig zu werden. Ein grauer Schatten schwebte von einem Baum vor ihm herunter. »Oh, da bist du ja, Kauz!« rief der Dachs und zuckte ein wenig zusammen. »Ich sehe mich nur noch ein letztes Mal um.«
»Es bringt nichts ein, wenn man allzu sentimental ist, Dachs«, bemerkte der Waldkauz. »Und doch muß ich zugeben, daß ich froh bin, das Ende unseres Waldes nicht miterleben zu müssen. Das wird uns zumindest erspart.«
In diesem Augenblick schlug die Uhr zwölf. »Da!« rief der Dachs. »Komm!« Halb im Trab, halb im Paßgang machte er sich rasch auf den Weg durch die Bäume. Der Waldkauz blieb in seiner Nähe, denn er spürte, daß der Dachs Gesellschaft brauchte. Bei der großen Buche fanden sie den Fuchs, das Wiesel, die Kröte, die Eidechsen und die Kaninchen vor. Der Turmfalke hockte auf dem niedrigsten Ast und starrte durchdringend wie ein Wachtposten vor sich hin. Der Fasan und seine Gefährtin hatten sich schon in der Dämmerung am Treffplatz eingefunden, sie dösten jetzt am Fuß des Baumes.
Die gewählten Gruppenführer der Eidechsen und der Kaninchen, in beiden Fällen jeweils das älteste und erfahrenste Mitglied der Gruppe, gesellten sich zum Fuchs und zum Wiesel, als der Dachs und der Waldkauz ankamen.
»Es ist eine schöne Nacht«, bemerkte der Fuchs. »Aber der
Mond ist für meinen Geschmack ein wenig zu hell.«
»Sollen wir unseren Aufbruch verschieben?« fragte der
Dachs.
»Nein. Ich glaube nicht, daß das eine gute Idee wäre. Die
Menschen sind inzwischen gefährlich nah.« Der Dachs nickte.
»Es war ein schrecklicher Tag heute«, stimmte er zu.
»Ich mußte um mein Leben rennen!« quiekte das Wiesel. »Sie
waren direkt über meiner Höhle.« Es dauerte nicht lange, bis die
anderen Tiere ankamen, aber als der Fuchs nachzählte, stellte er
fest, daß der Maulwurf fehlte.
»Verdammt! Wo mag er bloß stecken?« rief der Fuchs
ärgerlich. »Wir dürfen keine Zeit verlieren.« »Eigentlich kann es
uns nur recht sein«, bemerkte die Kreuzotter gehässig. »Er hätte
uns sowieso aufgehalten.«
Der Dachs drehte sich böse zu ihr um. »Er ist auf jeden Fall
ein besserer Reisegefährte als du!« schnauzte er. »Wir gehen
nicht ohne den Maulwurf! Wir können ihn doch nicht allein
lassen!«
Harte Worte hatten die Kreuzotter jedoch noch nie
beeindruckt. »Es ist nicht nötig, daß du dich so aufregst«, sagte
sie gelassen. »Ich habe lediglich an das Wohl der anderen
gedacht.«
»Wir warten noch, bis die Uhr wieder schlägt«, sagte der
Fuchs. »Dann ... also wir können nicht ewig warten, mein lieber
Dachs.«
»Gib mir ein wenig Zeit«, sagte der Dachs. »Ich glaube, ich weiß, wo ich ihn finden kann.« »Na gut. Aber beeil dich!« warnte der Fuchs. Der Dachs trabte rasch in die Richtung, in der sein Bau lag, und schaute sich unterwegs nach Spuren seines
Freundes um.
An seinem Bau angekommen, trat er ein und lief den Gang
entlang, der zum Versammlungsraum führte. Dort ging er zu
dem Loch, durch das der Maulwurf am Tag zuvor
herausgekommen war, als er sich einen direkten Gang zur
Versammlung gegraben hatte.
»Maulwurf!« rief der Dachs laut in
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