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Als die Uhr dreizehn schlug

Titel: Als die Uhr dreizehn schlug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippa Pearce
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besorgt.
    Als Antwort kam ein Niesen.
    Die Tante eilte mit ihm nach Hause, kochte ihm Tee und ließ ein heißes Bad einlaufen. Doch wenn eine Erkältung ihr Opfer einmal in der Hand hat, lockert sie ihren Griff selten vor der üblichen Zeit. So hatte Tom nun eine ernste Erkältung, die ihn mehrere Tage im Bett hielt und noch einige Tage länger im Haus. Die Genesung schritt nicht gerade in Windeseile voran. Fröhlich schrieb Gwen Kitson an ihre Schwester, Tom werde noch einige Zeit nicht reisen können, und Tom schrieb an Peter: »Das ist ein toller Glücksfall – fast so gut wie die Masern.«
    Wie üblich konnte er sich jede Nacht die Treppe hinunter und in den Garten schleichen. Dort verließ ihn jedes Mal die fiebrige Hitze der Erkältung, als ob allein das Grün der Bäume und der Pflanzen und des Grases sein Blut abkühlte. Er spielte mit Hatty.
    Tagsüber lag er zwischen seinen Kissen, absichtlich träge. Onkel Alan, den ein krankes Kind rührte, bot an, ihm Schach beizubringen. Doch Tom sagte, er fühle sich dafür nicht klar genug im Kopf. Er wollte nicht reden; und er verhehlte seiner Tante nicht, dass er einfach nicht fit genug war, um Schulmädchenabenteuer vorgelesen zu bekommen.
    Zu Beginn der Krankheit hatte Tom sich wirklich ein wenig schwindlig im Kopf gefühlt, und auch die Augenlider verklebten recht schnell. Aber es machte ihm nichts aus, sie geschlossen zu halten. Dann konnte er in seiner Phantasie den Garten sehen und sich ausmalen, was Hatty dort wohl trieb.
    Die Tante schlich des öfteren auf Zehenspitzen herein und sah ihn mit zweifelndem Blick an. Sie probierte, ob er durch das Flüstern seines Namens aufzuwecken war. Die Stimme der Tante rief Tom zurück, ohne dass er sofort begriff, wohin zurück. Die Augenlider öffneten sich und er sah das Schlafzimmer, doch seine Augen druckten die schattenhafte Erscheinung Hattys auf das vergitterte Fenster und den Schrank und ließen sie zwischen ihm und der Gestalt seiner Tante am Fuß des Bettes auftauchen.
    Hattys Bild spukte zu dieser Zeit häufig im Zimmer umher auf der Suche nach Tom; und vielleicht begann er deshalb zunächst flüchtig, dann ernsthaft zu überlegen, ob sie nicht selbst – auf ungewöhnliche Weise – ein Geist war. Es gab niemanden, der ihre Geschichte kannte und sie Tom erzählen konnte, und deshalb versuchte er, sich diese Geschichte selbst auszumalen: Hatty hatte hier gelebt, vor langer, langer Zeit – in diesem Haus mit dem Garten, den er kannte; hier hatte sie gelebt, hier war sie gestorben …
    Unten im Flur erklangen die Schläge von Mrs Bartholomews Standuhr, die Geheimnisse kannte, sie aber nicht verraten wollte. Tom lauschte und hielt jäh den Atem an: Mrs Bartholomew natürlich! Wer, wenn nicht sie, könnte etwas über die Geschichte dieses Hauses wissen? Oder vielmehr, es musste einen Mr Bartholomew gegeben haben, dessen Familie über Generationen im Besitz dieses Hauses gewesen war, und Mr Bartholomew musste alles darüber gewusst haben. Gewiss hatte er seiner Frau die Geschichte des Hauses erzählt, und sie würde sich noch daran erinnern.
    Tom beschloss, Mrs Bartholomew zu besuchen, sobald es ihm besser ging. Sicher, sie war eine ungesellige alte Frau, vor der sich die Leute fürchteten; doch das sollte Tom nicht an seinem Vorhaben hindern. Unerschrocken würde er an ihrer Wohnungstür läuten; sie würde die Tür nur einen Spalt breit öffnen und mürrisch herausspähen. Dann würde sie ihn sehen und bei seinem Anblick würde ihr Herz schmelzen (Tom hatte von solchen Geschehnissen in den etwas veralteten Kinderbüchern gelesen; nie zuvor hatte er geglaubt, dass so etwas passieren könnte, doch nun sollte es ihm recht sein). Mrs Bartholomew, die Kinder nicht mochte, würde Tom, sobald sie ihn sah, in ihr Herz schließen. Sie würde ihn auf der Stelle in ihre Wohnung ziehen; und später, an einem Teetisch voller Leckereien allein für ihn, würde sie Tom die Geschichten aus alter Zeit erzählen. Tom würde hin und wieder eine Frage stellen und sie würde alle beantworten. »Ein kleines Mädchen namens Harriet oder Hatty?«, würde sie erinnerungsselig sagen. »Ja, natürlich, mein verstorbener Mann hat mir von einem solchen Kind erzählt – oh, das war vor langer Zeit! Ein Einzelkind war sie und eine Waise. Als ihre Eltern starben, nahm ihre Tante sie in dieses Haus auf. Die Tante war eine unangenehme Frau…«
    So nahm die Geschichte in Toms Gedanken ihren Lauf. Sie verwirrte sich und stockte, wo Tom selbst

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