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Als die Uhr dreizehn schlug

Titel: Als die Uhr dreizehn schlug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippa Pearce
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war jetzt nicht die richtige Zeit, Hatty zu verblüffen, indem er ihr zeigte, dass er nicht einer ihrer Vettern war; und trösten konnte er sie auch nicht. Tom verstummte und machte sich auf Zehenspitzen davon.
    Diese kleine Hatty sah er nie mehr wieder. Er sah die andere, ältere Hatty, wie immer, bei seinem nächsten Gang in den Garten. Doch niemals mehr fragte er sie nach ihren Eltern aus. Als Hatty sich eines Tages wieder auf ihren Stolz besann und erneut ihre sehnsuchtsvolle Geschichte spielte, sie sei eine verbannte Prinzessin und eine Gefangene, widersprach er ihr nicht.

Der verstorbene Mr Bartholomew
    I n der Wohnung der Kitsons war es der Zeit nicht erlaubt, so launenhaft und verwirrend hin und her zu hüpfen wie im Garten – mal vorwärts bis zum Fall des Baumes, dann wieder rückwärts in die Zeit, als er noch gestanden hatte; dann noch weiter zurück, bis zur Ankunft eines kleinen Mädchens; und schließlich wieder vorwärts. Nein, in der Wohnung schritt die Zeit stetig voran, so wie sie eigentlich sollte: von Minute zu Minute, von Stunde zu Stunde, von Tag zu Tag.
    Der Tag, an dem Tom nach Hause gehen sollte, war bereits gekommen und wieder vergangen; doch immer noch war er bei Onkel und Tante. Das hatte er selbst erreicht. Noch am Tag vor seiner geplanten Abreise hatte er sich ein Herz gefasst, sich geräuspert und gesagt: »Mir wäre es am liebsten, wenn ich morgen nicht nach Hause gehen müsste.«
    Onkel Alan hatte Zeitung gelesen; raschelnd waren die Blätter auf seine Knie gefallen, als ob ihn die Kraft seiner Hände verlassen hätte. Seine Augen hatten sich vom Gedruckten abgewandt und ihre Schärfe auf Tom eingestellt. »Wie bitte?« »Ich würde morgen lieber nicht nach Hause gehen«, sagte Tom. Mehr zu sagen traute er sich nicht, doch er sprach laut und deutlich. Tante Gwen stieß vor Überraschung einen Freudenschrei aus.
    »Würdest du gern hier bleiben?«
    »Ja.«
    »Noch sieben Tage? Eine Woche?«
    »Oder länger«, sagte Tom.
    »Wir schicken sofort ein Telegramm«, sagte Tante Gwen und rannte hinaus.
    Tom und der Onkel waren jetzt allein. Alan Kitson musterte Tom mit unverhohlener Neugier. »Warum willst du hier bleiben?«
    »Wenn ihr was dagegen habt, dann nicht«, sagte Tom stolz, doch bei dieser Vorstellung wurde ihm mulmig.
    »Nein… Nein…« Noch immer beobachtete ihn Onkel Alan. »Aber ich frage mich, warum… Was gibt es hier, das einen Jungen interessieren könnte – mit dem er sich gar die Zeit vertreiben könnte?«
    »Mir gefällt's einfach hier«, murmelte Tom.
    Tante Gwen kam zurück; sie hatte Toms Eltern ein Telegramm geschickt. Ihr Gesicht war vom Laufen gerötet; sie sprach schnell und atemlos: »Wir könnten in die Stadt gehen und Ausflüge machen – jetzt, wo du nicht mehr unter Quarantäne stehst und bei uns bleibst, können wir so viel unternehmen. Du musst jetzt nicht mehr eingesperrt sein und dich langweilen, Tom.«
    »Danke«, sagte Tom, doch ohne Begeisterung. Er hätte es viel lieber gehabt, wenn sie ihn wie gewohnt der Langeweile im Haus überlassen hätten. Sein wahres und spannendes Leben verbrachte er nachts, wenn er in den Garten ging; tagsüber wollte er nur seine Ruhe haben – in die Vergangenheit und in die Zukunft denken, immer mit dem Bild des Gartens vor Augen, und Peter davon berichten. Er wollte nicht schlafen, dennoch war der Tag in der Wohnung wie eine Zeit des Schlafes für ihn. Er brauchte diese Ruhe.
    Tante Gwen unternahm mit ihm ein paar Ausflüge nach Castleford, in die Läden, ins Museum und ins Kino. Tom ertrug sie geduldig. Das Kino mochte er am liebsten, denn dort war es dunkel und er konnte mit geschlossenen Augen dasitzen und seinen Gedanken nachhängen.
    Gegen Ende von Toms verlängertem Aufenthalt wurde das Wetter schlechter. Aber Tante Gwen beharrte auf Vergnügungen und Ausflügen, nun mit Regenjacke und Schirm. Nach einem dieser Kinobesuche mussten die beiden lange auf den Bus warten, und Tom stand die ganze Zeit über in einer Pfütze. Es war seine Tante, der es auffiel, aber das auch erst, als der Bus schon kam: »Tom, du stehst ja in einer Pfütze – in einer ganz tiefen dazu!« Er war überrascht: Mit dem Kopf war er in den Wolken gewesen – in den weißen Wolken, die sich über einem ewig sommerlichen Garten auftürmten – und auf seine Füße hatte er gar nicht geachtet. Nun, da er sie spürte, fühlten sie sich ziemlich feucht und kalt an.
    »Hoffentlich hast du dir keine Erkältung eingefangen«, sagte die Tante

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