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Als die Uhr dreizehn schlug

Titel: Als die Uhr dreizehn schlug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippa Pearce
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jetzt. Selbst Tom konnte nicht für sie sprechen oder auch nur einen Finger für sie rühren.
    Er wandte den Bick ab, denn er erwartete, dass Hattys Tante sie schlagen würde; doch das tat sie nicht. Stattdessen begann sie zu sprechen: Sie nannte Hatty ein Fürsorgekind, eine undankbare Arme, die sie in ihr Heim aufgenommen habe aus Pflichtgefühl gegenüber ihrem verstorbenen Mann, dessen Nichte Hatty sei. Nur die Forderungen der Blutsverwandtschaft hätten sie veranlasst, dieses unangebrachte Mitleid mit Hatty zu haben; sie hätte erwartet, dass Hatty dankbar wäre und pflichtbewusst und gehorsam. Doch sei sie nichts davon, sondern eine Last und eine Schande für die Tante und ihre Vettern – eine Lügnerin, eine Verbrecherin, ein Monster.
    »Oh!«, flüsterte Tom wütend. »Warum holen dann ihre Eltern Hatty nicht fort – weg von hier?« Er glaubte nicht mehr – schon lange nicht mehr –, dass Hattys Eltern König und Königin waren. Doch gewiss würden selbst die ärmsten, einfachsten Leute ihr Kind aus dieser Lage retten. Seine Mutter würde es tun; sein Vater würde es tun – in aller Eile und bebend vor Entrüstung.
    »Weiß Hattys Mutter nichts davon? Warum kommt Hattys Vater nicht?« Er kauerte sich zusammen und vergrub das Gesicht in den Händen und heulte, weil er so machtlos war.
    Er hörte die grausame Stimme weiter und weiter sprechen, und dann, endlich, verstummte sie; Stille trat ein. Nach einer Weile erhob er sich widerwillig und sah hinüber zum Haus. Ob alle, mitsamt Hatty, in dieser Stille ihrer Wege gegangen waren oder ob sie buchstäblich verschwunden waren – das konnte er nicht sagen.
    Tom verließ seinen Platz hinter dem Baum und ging hinunter ans andere Ende des Gartens und kletterte dort über die niedrige Mauer. Er wanderte zwischen den Bäumen auf der anderen Seite umher und setzte sich schließlich an einen Baumstamm. Erschöpft, wie er war, schlief er ein.
    Als er erwachte und sich umsah, schien etwas anders geworden zu sein – die Zeit, meinte er. Doch die Sonnenstrahlen drangen immer noch von Osten durch die Blätter der Bäume. Noch immer war es Morgen.
    Er kletterte über die Mauer zurück in den Garten und begann nach Hatty oder Abel zu suchen, nach irgendjemandem außer der schrecklichen Frau. Als er um die Ecke in den Sonnenuhrweg einbog, sah er an dessen Ende eine sehr kleine Gestalt, ganz in Schwarz: ein kleines Mädchen, halb so groß wie Hatty, in einem schwarzen Kleid, schwarzen Strümpfen und schwarzen Schuhen. Selbst ihr Haar war schwarz und mit einem schwarzen Band zurückgebunden. Es hatte sich gelockert und das Haar fiel ihr übers Gesicht, das sie mit den Händen bedeckt hatte, und in diese Hände hinein schluchzte sie.
    Noch nie hatte Tom solchen Schmerz miterlebt. Schon wollte er sich auf Zehenspitzen davonmachen, doch etwas an der Einsamkeit und der Hilflosigkeit des Kindes hielt ihn zurück. Gerade an diesem Morgen konnte er aus irgendeinem Grund nicht so tun, als ob es ihn nichts anginge. Er trat auf die Kleine zu und – es schien dumm, denn im ganzen Garten hatte niemand außer Hatty je seine Stimme gehört – sprach zu ihr: »Nicht weinen«, sagte er.
    Zu seiner Überraschung hörte sie ihn tatsächlich. Sie wandte ein klein wenig den Kopf, wie Trost suchend; doch sie hörte nicht auf zu weinen und nahm auch nicht die Hände vom Gesicht.
    »Warum weinst du?«, fragte Tom sanft.
    »Wegen zu Hause!«, schluchzte sie. »Wegen Mama – und Papa!«
    Dann begriff Tom, was die schwarzen Sachen, die sie trug, zu bedeuten hatten, und auch ihr untröstliches, haltloses Weinen. Und da war noch etwas – etwas fast Unglaubliches, und er hatte das Gefühl, er sei nahe daran, es zu verstehen; etwas Vertrautes in ihrer Stimme und in ihrer Art zu sprechen, etwas an ihrem Wesen …
    »Nicht weinen«, sagte er noch einmal, hilflos.
    »Ach, Vetter!«, schluchzte sie.
    Da begriff Tom. Sie hielt ihn für einen ihrer Vettern – für Hubert oder James oder Edgar. Dieses Mädchen war Hatty, die Hatty, die er schon kannte, und doch eine ganz andere Hatty, weil sie – ja, das war es - jünger war: eine sehr junge, einsame kleine Hatty, deren Vater und Mutter gerade gestorben waren und die deshalb kein Zuhause mehr hatte – eine arme, mittellose Waise Hatty, die nur widerwillig in dieses Haus und diese Familie aufgenommen worden war, von einer Tante, deren Liebe nicht weiter reichte als bis zu ihren eigenen drei Söhnen und deren Wohltätigkeit so kalt war wie ihr Herz.
    Es

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