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Als die Uhr dreizehn schlug

Titel: Als die Uhr dreizehn schlug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippa Pearce
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stibitzen würde. Tom musste sie ein wenig zur Vernunft bringen.
    Hatty mochte das Baumhaus umso mehr, als es das beste aller Verstecke im Garten war. »Keiner wird je auf die Idee kommen, dass es hier ist«, sagte sie, »außer sie haben uns beobachtet. Aber von den Vettern weiß es keiner.«
    »Hat Abel es gesehen?«, fragte Tom.
    »Er hat nie gesehen, wie ich Sachen getragen hab oder hinaufgeklettert oder auch nur hierher gegangen bin. Ich hab immer aufgepasst und bin ihm aus dem Weg gegangen.«
    »Er macht mir keine Sorgen«, sagte Tom, »und mich hat er natürlich nie gesehen.«
    »Natürlich nicht«, stimmte ihm Hatty zu. Und dann sprachen sie eilends von etwas anderem, denn ihr Streit über Geister und wer von ihnen einer war, war ihnen noch immer frisch in Erinnerung.
    Wie sich allerdings herausstellte, musste Abel doch von dem Baumhaus gewusst haben. An diesem Nachmittag arbeitete er im Garten und spannte Netze über die Erdbeerbeete. Hatty und Tom wussten das, denn sie sahen immer lieber nach, wo Abel und die anderen im Garten steckten, ehe sie in ihr Baumhaus kletterten. Diesmal vergewisserten sie sich, dass nur Abel im Garten und nicht gerade in der Nähe war, und kletterten dann hinauf. Das Haus war inzwischen fertig, doch Hatty hatte immer noch einiges damit vor. »Wenn es wie ein wirkliches Haus sein soll, müsste es Fenster haben – nicht nur zufällig ein paar Lücken in den Wänden.« Und die Fenster müssten hoch sein, meinte sie, wie die des großen Hauses.
    »Du erwartest zu viel«, grummelte Tom. Und am Ende musste Hatty alleine Fenster einbauen – so gut es ging.
    Die beiden Fenster, die sie baute, wirkten eher wie ausgefranste Löcher. Hatty arbeitete geduldig erst von innen und dann von außen und flocht Zweige an den Fensterrändern entlang, die möglichst gerade und fest sitzen sollten.
    Tom half ihr dabei nicht. Er hoffte, Hatty würde die Beschäftigung mit den Fenstern bald langweilen – wenn es jetzt auch noch nicht danach aussah. Dann würde er etwas Spannenderes vorschlagen: Die Fenster waren eigentlich Bullaugen und dies war die Kapitänskajüte eines Schiffs auf hoher See.
    Aber Hatty baute die Fenster nie zu Ende. Summend kletterte sie draußen vor der Wand des Baumhauses von einem Ast zum andern; dann hielt sie inne und rief: »Tom, auf dieser Seite ist ein angeknackster Ast – hält der noch? Hast du schon mal darauf gesessen?«
    »Ein angeknackster Ast?«, sagte Tom. »Ach ja, auf dem bin ich schon gewesen.« Hatty begann wieder zu summen, diesmal etwas abgehackt, und kletterte weiter umher. »Aber hör mal«, setzte Tom hinzu, »ich bin anders als du: Dir würde ich nicht raten –«
    Er sah nicht, wie es passierte, doch der angeknackste Ast musste bei der ersten Belastung durch die leichte Hatty gebrochen sein. Er hörte es knacken und reißen; er hörte Hattys überraschtes, leises »Oh!«, das nur den Bruchteil einer Sekunde dauerte, bevor es zum Schrei wurde, als sie merkte, dass sie stürzte.
    Hattys Schrei war ein scharfer, hoher Laut, der den ganzen Garten durchdrang. Vögel flatterten auf und schwirrten davon; ein rotes Eichhörnchen, das auf den Haselnusssträuchern entlanglief, erstarrte. Und Abel – Abel warf seinen Arm voll Erdbeernetze zu Boden und rannte los, hinüber zu den Stufen von St. Paul.
    Tom sprang von ganz oben herab und landete – leichter als eine Katze – neben Hatty. Sie lag auf dem Boden, benommen und stumm. Ihr Körper war merkwürdig verbogen und beim Fallen hatte sich ihr Rüschenkleid aufgebauscht, sodass es nun ihr Gesicht verdeckte. Wo der Stoff auf der Stirn lag, kroch ein Blutfleck an den Fasern entlang.
    Tom stand noch immer hilflos da, als Abel herbeigeeilt kam. Abel sah das Blut und stöhnte laut auf, er nahm Hatty auf die Arme und trug sie hinüber zum Haus. Tom folgte ihnen.
    Plötzlich hielt Abel an. Er drehte sich halb um, sodass er genau dahin sah, wo Tom stand. So benommen vor Entsetzen er auch war, Tom erkannte, dass Abel nicht durch ihn hindurch, sondern ihn selbst sah. Und jetzt sprach er ihn an: »Verschwinde!«, sagte Abel mit heiserer Stimme.
    Tom starrte ihn an; keiner der beiden regte sich.
    »Scher dich zurück in die Hölle, wo du herkommst! Ich kenne dich. Ich hab dich immer gesehen und hielt es für das Beste, dich nicht zu sehen; und hab dich gehört und hielt es für das Beste, mich taub zu stellen; doch ich kenne dich, und ich weiß, was für einer du bist!«
    Tom drängte alle Gedanken beiseite, außer dem

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