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Als die Uhr dreizehn schlug

Titel: Als die Uhr dreizehn schlug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippa Pearce
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Lampe zu holen, und bat Hatty, sich hinzulegen und zu schlafen. Als sie fort war, meinte Tom, auch für ihn sei es Zeit zu gehen.
    »Nun gut«, sagte Hatty. Niemals fragte sie, wohin er ging.
    »Wir sehen uns morgen«, sagte Tom.
    Hatty lächelte. »Das sagst du immer, und dann dauert es oft viele Monate, bis du zurückkommst.«
    »Ich komme jede Nacht«, sagte Tom.
    Er wünschte ihr Gute Nacht und ging nach unten. Im Hausflur roch es nach Essen, und Susan und ein anderes Hausmädchen eilten mit Tellern und Schüsseln umher. Die Familie speiste zu Abend.
    Tom hielt inne und sah nach, ob der Schlüssel der Standuhr im Schlüsselloch steckte. Wie gerne hätte er ihn gedreht, doch das musste Hatty für ihn tun. Er starrte den Engel auf dem Zifferblatt an.
    Er verließ die Uhr, ging hinaus in den Garten und kam mit geschlossenen Augen wieder herein, machte die Tür hinter sich zu und verriegelte sie. Doch als er die Augen öffnete, war er immer noch im Hausflur der Melbournes. Er ging den Flur entlang und die Treppe hoch, verzweifelt hoffend, dass der Treppenläufer und die Stangen sich auflösen würden, während er hochstieg, und dass er sich auf dem Weg in die Wohnung der Kitsons und in sein eigenes Schlafzimmer und sein Bett wieder finden würde.
    Nichts Derartiges geschah. Er kam zu Hattys Schlafzimmer, das eigentlich das seine war; die Tür war angelehnt.
    »Wer ist da?«, murmelte Hatty schläfrig.
    »Ich bin's nur«, sagte Tom. »Ich – ich hab was vergessen.«
    »Hast du es gefunden?«
    »Nein«, sagte Tom. »Aber es ist schon gut. Gute Nacht, Hatty.«
    »Gute Nacht.«
    Er ging nach unten und hinaus in den Garten und drehte eine Runde an den Mauern entlang. Fledermäuse schwirrten über seinen Kopf hinweg. Und dann versuchte er es noch einmal. Das Haus hatte sich nicht verwandelt – es war das Haus der Melbournes.
    Ich komm nie mehr zurück, dachte Tom plötzlich; und dann: Ich sag es Hatty. Ich frage sie, was ich tun soll. Ich erzähle ihr alles, selbst wenn das heißt, dass ich über Geister reden muss.
    Er ging nach oben, schlüpfte in Hattys Zimmer und rief in der Dunkelheit ihren Namen. Sie antwortete nicht. Er hörte nur das regelmäßige Atmen einer Schlafenden. Er mochte sie nicht aufwecken und ihr Angst einjagen, und so kauerte er sich neben dem Bett auf den Boden, den Arm über Hattys Arm gelegt, um gleich zu spüren, wenn sie aufwachte oder sich auch nur regte. Er ließ den Kopf auf den anderen Arm sinken und merkte, wie er allmählich in den Schlaf sank.
    Er wusste nicht, wie viel Zeit vergangen war, als er erwachte. Draußen jedenfalls war es Tag und die Glieder taten ihm weh, weil er ganz verkrampft auf dem Boden lag. Zuerst wusste er nicht, wo er war. Dann fiel es ihm siedend heiß ein und er fuhr mit dem Arm über das Bett, doch das Bett war leer – ohne Hatty. Dann sah er, dass es nicht Hattys Bett war, sondern seines, und dass dies auch sein Schlafzimmer war – nur ein schmaler Schlauch mit einem vergitterten Fenster.
    Tom begriff nicht, wie er hierher gekommen war, doch er war von ganzem Herzen dankbar. Er wollte gerade in sein kaltes Bett steigen, als ihm der Pantoffel einfiel, den er unter die Wohnungstür geklemmt hatte, um sie offen zu halten. Auf keinen Fall durften Onkel oder Tante ihn dort finden. Glücklicherweise war es noch sehr früh, und sie schliefen sicher noch. Er holte den Pantoffel, schloss die Tür und stieg ins Bett.
    Da lag er und starrte an die Decke, bis er hörte, wie der Onkel ins Badezimmer auf der anderen Seite der kümmerlichen Trennwand ging und das Wasser für ein morgendliches Bad einlaufen ließ.
    Einen Augenblick später kam die Tante herein und brachte Tom die erste Tasse Tee ans Bett, mit der sie ihn wie immer verwöhnte.
    »Zeit aufzustehen, Tom. Der Postbote hat gerade Briefe von zu Hause gebracht – einen für dich von Peter und einen für mich von deiner Mutter.«

Am nächsten Samstag
    S ie saßen alle am Frühstückstisch: Alan Kitson mit der Zeitung; seine Frau mit einem langen Brief von ihrer Schwester, Toms Mutter; Tom selbst mit einem Brief von Peter. Tom hielt beim Lesen eine Hand schützend über das Blatt, damit keiner, wenn auch nur zufällig, mitlesen konnte.

    Lieber Tom,
    PASS AUF! Mutter schreibt an Tante Gwen, dass du Ende der Woche nach Hause kommen kannst, und diesmal musst du wirklich kommen. Ich glaube, Mutter wird schreiben, du musst nach Hause, weil ich dich so vermisse, aber ich will nicht, dass du von dort weggehst. Mir gefällt

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