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Als die Uhr dreizehn schlug

Titel: Als die Uhr dreizehn schlug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippa Pearce
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Hattys Gegenwart genommen und sie in seine Vergangenheit verwandelt. Und dennoch, hier und jetzt, eine kleine Weile, wurde diese Vergangenheit auch zu seiner Gegenwart – seiner und Hattys. Dann fiel ihm die Standuhr ein, die sowohl seine Zeit als auch die Hattys maß, und er erinnerte sich an das Bild auf dem Zifferblatt.
    »Hatty, was bedeutet das Bild auf der Standuhr?«
    »Es ist etwas aus der Bibel.«
    Tom war überrascht. »Was?«
    Hatty runzelte die Stirn: »Das ist schwierig: Ich kann mich nicht daran erinnern – ich glaube, es ist schwer zu verstehen, deshalb weiß ich es nicht mehr genau. Ich finde es für dich heraus, wenn du willst.«
    »Ja, bitte. Wen willst du fragen?«
    Hatty lächelte, machte aber kein Geheimnis daraus, wie eine frühere Hatty es getan hätte. »Ich frage die Uhr; es steht dort geschrieben.«
    »Wo? Ich hab es nie gesehen.«
    »Nein, das konntest du nicht, weil es so tief unten auf dem Zifferblatt steht, dass die Schrift vom Rahmen der Glasscheibe verdeckt wird. Du musst die Scheibe öffnen.«
    »Vom Pendelkasten aus, mit einem Riegel?«
    »Ja, woher weißt du das?«
    »Nicht so wichtig. Wer hat den Schlüssel für den Pendelkasten?«
    Wieder lächelte sie. »Die Standuhr. Der Schlüssel steckt immer im Schlüsselloch.«
    Tom war entsetzt. »Aber dann könnte jeder sie aufschließen!«
    »Nur Tante darf es. Sie hat allen anderen verboten, die Uhr auch nur anzurühren.«
    »Aber wenn Fremde ins Haus kämen? Neugierige Leute? Jungs?«
    Hatty verstand ihn offenbar nicht. Sie versprach allerdings, das nächste Mal, wenn sie unten war und niemand dabei wäre, den Pendelkasten zu öffnen und die Glasscheibe des Zifferblatts zu entriegeln. Dann konnte Tom das Geheimnis selbst lesen.
    Vorerst konnten sie nichts weiter unternehmen, und so wechselten sie das Thema. Hatty nahm das Gespräch in die Hand, denn Tom war nachdenklich und wortkarg. Sie unterhielt ihn mit Geschichten über das Kinderzimmer. Hinter den Läden dieser Fenster schliefen tagsüber Fledermäuse, erzählte sie. Wenn man die Läden zuzog, konnte man sie dort hängen sehen, zwischen den grauen Spinnweben und den vertrockneten Blättern einer Kletterpflanze und all dem Staub. Eines Nachts hatte sich eine in ihr Zimmer verirrt und war umhergeflattert wie ein winziges schwarzes Gespenst, und sie hatte unter ihrer Decke geschrien und geschrien, denn Susan hatte ihr gesagt, dass Fledermäuse auf langes Haar ganz wild seien und sich darin einnisteten und dann müsse das ganze Haar abgeschnitten werden. (Tom lächelte und selbst Hatty lächelte ein wenig.) Dann war eines Sommers eine Ranke der Kletterpflanze oben am Fenster hereingekrochen und hatte sich an der ganzen Klingelschnur entlanggeschlungen, bis Hattys Tante sie bemerkte und abschneiden ließ. Und wenn man ruhig dalag, konnte man Mäuse hinter den Fußleisten um die Wette rennen hören, und im Herbst, nach der Ernte, gab es immer mehr Mäuse, weil sie dann von den Feldern hereinkamen. Und dann war da natürlich der Schrank – Jetzt sprang Hatty aus dem Bett, um Tom den Wandschrank zu zeigen – nicht ihre Kleider, die dort hingen, sondern ein Versteck unter den Dielenbrettern, das sie seit ihrer Kindheit geheim gehalten hatte. Mit den Fingernägeln fuhr sie zwischen die Ritzen und hob eine Diele an, und darunter, in einem geräumigen Hohlraum zwischen den Deckenbalken, war ihr kleiner Schatz: ihr Kirmesmesser mit der einen Klinge, eine Schachtel mit Farben und ein kleines, blassbraunes Bild eines feierlich dreinschauenden jungen Gentleman, der an einem Armsessel lehnte, in dem eine junge Frau saß. »Das waren mein Vater und meine Mutter, vor langer Zeit. Du erinnerst dich doch noch, Tom, dass ich einmal so getan habe, als wären sie König und Königin.«
    Dann hörten sie Schritte draußen auf dem Korridor und Hatty zog sich rasch ins Bett zurück. Die sommerliche Dämmerung hatte nun Schatten in das Zimmer geworfen und Susan kam mit einer Öllampe herein, die sie auf den Kaminsims stellte und anzündete. Dann ging sie noch einmal hinaus und kam zurück mit Hattys Abendessen, einer Schale Brot in Milch.
    Während Hatty aß, unterhielten sie sich weiter, und Tom wärmte seine Hände über der Öffnung des Lampenglases und beobachtete die Schattenfiguren, die seine Finger an die Decke warfen. Unten erklang laut der Gong, der die Melbournes zum Abendessen rief. Sie hörten Stimmen und Fußgetrappel auf der Treppe.
    Susan kam noch einmal zurück, um die leere Schale und die

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