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Als die Uhr dreizehn schlug

Titel: Als die Uhr dreizehn schlug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippa Pearce
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davon und landete mitten in einer Eishockeypartie. Schnell wurde er zum Teil des Spiels und verschwand für immer. Hatty sah ihm nach, doch sie ließ sich in ihrem Lauf nicht beirren, sondern lachte nur, als würden ein Muff oder irgendwelche Unschicklichkeiten oder ihre Tante sie nicht mehr kümmern. Sie liefen weiter.
    Sie verließen die Gegend von Castleford und kamen an einer Schleuse mit festgefrorenen Toren und zugefrorenem Wehr vorbei. Sie kletterten das Ufer hoch, umgingen die Schleuse und kehrten zurück aufs Eis. Sie liefen unter einer Brücke hindurch, und auch darunter trug das Eis sicher. Alle Fährübergänge, an denen sie vorbeikamen, waren eingefroren, und die Fährmänner standen missmutig um ihre vom Eis eingeschlossenen Boote herum.
    Hatty und Tom liefen immer weiter über das Eis. Die Läufer, denen sie nun begegneten, waren meist Männer. Es gab nur wenige Mädchen, bemerkte Tom, und keines war ohne Begleitung. Sie gelangten an eine einsam gelegene Bierschenke am Fluss, auf deren Schild es hieß: »Fünf Meilen von Irgendwo – Kein Grund zur Eile«. Hier sahen sie Schlittschuhläufer, Arbeiter von den Bauernhöfen der Fens, die sich auf einer Bank ausruhten. Sie riefen Hatty einladende Worte zu und fragten, ob sie nicht einen von ihnen zur Gesellschaft haben wolle. Sie ließen nicht locker, bis Hatty antwortete, dass sie einen Freund dabeihabe, den sie allerdings nicht sehen könnten. Die Eisläufer hielten das für einen guten Scherz und lachten; auch Hatty lachte und Tom ebenfalls, doch außer Hatty hörte ihn keiner.
    Sie liefen weiter, und die dünne, gleißende Sonne stand nun schon tief am Himmel. Hattys schwarzer Schatten flog zu ihrer Rechten über das glitzernde Eis. Manchmal liefen sie auf dem Hauptstrom, manchmal auf dem überfrorenen Marschland. Nur die Weiden entlang dem Ufer sahen ihnen zu, und das Eis zischte unter ihren Schlittschuhen.
    Sie hatten auf gehört zu reden und zu denken – ihre Beine und Arme und Körper schienen hin- und herzuschwingen mit der unbeirrbaren Regelmäßigkeit von Uhrpendeln – bis Hatty endlich ausrief: »Schau, Tom – der Turm der Kathedrale von Ely!«
    Vom Fluss aus gesehen spielte der Turm von Ely seine Streiche mit dem Reisenden. Hatty und Tom liefen und liefen, und lange Zeit schien der Turm nicht näher zu kommen, sondern sich auf mysteriöse Weise mal zur einen, mal zur anderen Seite zu bewegen, je nach Windung des Flusses. Endlich jedoch kamen sie wirklich näher und nun verschwand der Turm der Kathedrale hinter den ersten Hausdächern. Hier nahm der Fluss die letzte Windung nach Ely hinein.
    Sie stiegen ans Ufer. Hatty löste die Gurte und Schrauben ihrer Schlittschuhe und ging in den Stiefeln – andere Schuhe hatte sie nicht dabei. Tom schwang sich Stiefel und Schlittschuhe um den Hals und ging auf Socken.
    Sie schlenderten durch die Stadt in Richtung Kathedrale und betraten sie durch das große Westportal. Das schwindende Winterlicht erfüllte das riesige Innere mit düsterem Licht. Sie gingen durch das Hauptschiff hinunter zum Oktogon. Tom kam die Decke der Kathedrale wie ein Himmel vor, denn immer wenn sie nach oben sahen, hatten sie angesichts des riesigen Gewölbes nur einen kleinen Weg zurückgelegt. Hattys Augen funkelten vor Begeisterung: »Oh, ich hätte nie gedacht, dass es irgendwo etwas so Großes – so Schönes gibt.«
    Sie kamen an einem Küster vorbei und Tom flüsterte Hatty zu: »Frag mal, ob man auf den Turm steigen kann.« Sie kehrte um und fragte den Kirchendiener. Die junge Dame solle sich in zehn Minuten am Taufstein auf der Westseite einfinden, antwortete er. Es war die letzte Turmbesteigung für heute und kostete Sixpence.
    In der Zwischenzeit gingen sie in der Kathedrale umher. Als sie aus der Marienkapelle kamen, hielt Tom vor einer Gedenktafel inne. Sie war einem gewissen Mr Robinson, Ehrenbürger der Stadt, gewidmet, der am 15. Oktober achtzehnhundertzwölf im Alter von zweiundsiebzig Jahren die Zeit für die Ewigkeit eingetauscht hatte. Tom überlegte, dass er es Mr Robinson gewissermaßen nachtun wollte; er wollte die normale Zeit, die sonst bis Samstag dahinfließen würde, für eine endlose Zeit eintauschen – eine Ewigkeit im Garten. »Tauschte die Zeit für die Ewigkeit«, wiederholte Tom laut und bemerkte, dass die Mauern der Kathedrale nicht das leiseste Echo seiner Stimme zurückwarfen. Die Stille ließ ihn erschaudern.
    Hatty war zurückgekommen, um zu sehen, was Tom aufhielt. Über seine Schulter

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