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Als die Uhr dreizehn schlug

Titel: Als die Uhr dreizehn schlug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippa Pearce
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mir einen Streich gespielt hat.«
    »Natürlich bin ich es«, sagte Tom und fragte sich, ob Hattys Augen noch in Ordnung waren.
    »Ich hoffte, du würdest kommen – du und niemand sonst. Sieh mal!« Hatty zog eine Hand aus dem Muff und Tom sah, dass auch ihre Schlittschuhe in dem Pelz steckten. Zur Antwort hob er die eigenen Schlittschuhe hoch. Hatty nickte zufrieden, doch die Ähnlichkeit schien ihr nicht aufzufallen. Sie wusste nicht, was Tom wusste.
    »Gleich kommt James«, sagte Hatty. »Er fährt heute auf den Markt nach Castleford, und ich fahre mit. Er weiß nicht, dass ich heute Nachmittag Schlittschuh laufen will. Ich werde bis nach Ely laufen.«
    »Kannst du das?«, fragte Tom beeindruckt.
    Hatty verstand ihn falsch. »Nun ja, natürlich sollte ich eigentlich nicht. Es schickt sich nicht wirklich für eine Dame, also darf ich es keinem erzählen. Und doch wäre es noch unschicklicher, alleine zu gehen …«
    »Was ich meinte, ist eigentlich – ist der Fluss wirklich zugefroren?«
    »Ganz und gar, Tom – stell dir vor, Abels Großvater hat gesagt, das sei einer der härtesten und längsten Fröste, die er je erlebt hat. Der Fluss ist von hier oben bis hinunter nach Castleford und über Ely hinaus gefroren. Hier ist es zu unsicher, weil der Fluss noch nahe an der Quelle ist, aber unterhalb von Castleford und durch die ganzen Fens – ach Tom, komm doch mit!«
    Tom war aufgeregt und zugleich entgeistert: »Jetzt? Ohne dass wir in den Garten gehen? Wenigstens ganz kurz?«
    »Der Garten wird immer da sein«, versuchte ihn Hatty zu überreden, »aber dieser schwere Frost –«
    Sie verstummte jäh und wandte sich um. Jemand kam die Treppe herunter. Tom überlegte schnell, trat ein paar Schritte vor und stellte sich neben Hatty. Für diesmal würde er den Garten verlassen und sich Hatty anschließen.
    Der Neuankömmling war James, und auch er war für einen Ausflug gekleidet. Er grüßte Hatty und holte seinen Marktkorb und zwei dicke Reisedecken aus einem der Regale im Flur. Dann gingen alle drei zur Vordertür hinaus – zur Eingangstür des Hauses der Melbournes, durch die Tom noch nie gegangen war.
    Draußen auf der Zufahrt warteten ein Pony und eine Kutsche, und neben dem Pony stand Abel. Seine Miene beim Anblick Toms war leicht zu deuten: »Hätte nie gedacht, dich wieder zu sehen!« All das Grauen von einst war aus seinem Blick verschwunden.
    Sie kletterten auf die Kutsche und Hatty und James wickelten sich mit den Decken ein. Abel nutzte die Gelegenheit, Tom insgeheim freundlich zuzuzwinkern. Dann straffte James die Zügel über dem Rücken des Ponys und sie fuhren los: die Zufahrt zum Haus der Melbournes hinunter und eine von Wiesen und Obstgärten gesäumte Straße entlang. An einem weiß getünchten Landhaus bogen sie nach rechts ab, dann ging es sieben oder acht Kilometer in flottem Trab auf vereisten Straßen durch überfrorene Felder und Wiesen. Östlich von ihnen lagen niedrige Hügel, die in dieser flachen Landschaft wie schlafende Riesen aussahen; im Westen, ohne dass sie ihn sehen konnten, schlängelte sich der Fluss durch das Land, in der gleichen Richtung wie die Hauptstraße nach Castleford.
    Tom war schon einmal mit Onkel und Tante hier draußen gewesen, doch immer hatten ihm die Häuser die Sicht verwehrt, und sie waren mit dem Auto oder dem Bus gefahren.
    Tatsächlich war er noch nie mit einer Pferdekutsche gereist. Nun beobachtete er gespannt das Muskelspiel auf dem kurzen Rücken und der Hinterhand des Ponys zu seinen Füßen. Er spürte die harten Stöße der eisenbeschlagenen Räder, während sie dahinrollten.
    Schließlich erreichten sie Castleford. An diesem Markttag drängten sich viele Menschen durch die Straßen der Stadt. James ließ Pony und Kutsche an einem Gasthaus mit Namen University Arms zurück (ein merkwürdiger Name für ein Gasthaus, denn Castleford hatte gar keine Universität); viele Bauern, Müller und Handwerker aus der Gegend schienen ihre Gespanne ebenfalls dort stehen zu lassen. James, den Marktkorb in der Hand, machte jetzt Anstalten zu gehen. »Willst du später mit zurückfahren, Hatty?«
    »Danke, James«, sagte sie, »aber ich weiß nicht genau, wann ich zurückwill.«
    »Du kannst immer den Zug nehmen«, sagte James. Und sie verabschiedeten sich.
    Viele Menschen auf den Straßen Castlefords trugen Schlittschuhe. Manche waren auf dem Weg zum Fluss, der zwischen sanft abfallenden Rasenhängen unter den Brücken von Castleford hindurchströmte. Hier war das

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