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Als die Uhr dreizehn schlug

Titel: Als die Uhr dreizehn schlug Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philippa Pearce
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dem Ufer gelehnt hatten, beobachteten alles, was vor sich ging. Sie hielten sich für weise und erfahren genug, um Hatty Ratschläge zu erteilen.
    Einer fragte sie, wohin sie so spät noch laufen wolle, und als sie »Castleford« sagte, schüttelten alle drei die Köpfe.
    »Wenn das Eis trägt«, sagte einer. »Aber dieser tückische Südwestwind bringt sicher Regen und Tauwetter.« Die Brise, die Tom und Hatty oben auf dem Turm bemerkt hatten, war nun zu einem kräftigen Wind geworden; er fühlte sich selbst auf Toms Gesicht sanfter und milder an als die frostige Windstille zuvor.
    »Es ist schon jemand eingebrochen, hab ich gehört«, sagte der zweite alte Mann. »Irgendwo weiter flussaufwärts. Ist aber nicht ertrunken. Er hatte Freunde dabei, und sie haben eine Leiter aufs Eis gelegt und ihn gerade noch rechtzeitig rausgeholt. Da wird noch ein Loch sein und brüchiges Eis drum herum. Besser, Sie halten die Augen auf. Wo war es noch mal, haben sie gesagt, Matthew?«
    Der erste alte Mann wusste es nicht; doch der dritte meinte, das Loch müsse recht groß sein und Hatty würde es sicher bemerken, wenn sie in die Nähe käme. Sie dürfe auch nicht vergessen, auf brüchiges Eis unter Brücken und Bäumen und entlang dem Schilf am Ufer zu achten.
    Der erste alte Mann begann mit neuen Ratschlägen und sagte, Hatty solle doch besser mit dem Zug von Ely nach Castleford fahren.
    Hatty dankte ihnen allen, doch fuhr unbeirrt fort, ihre Schlittschuhe festzugurten. Das ist recht mutig von ihr, dachte Tom. Sie stellten sich nebeneinander aufs Eis und Hatty wünschte den alten Männern eine fröhliche Gute Nacht; die Alten wünschten ihr von ganzem Herzen viel Glück. Wenigstens hätte sie Vollmond, rief ihr einer noch zum Abschied nach. Als sie außer Hörweite waren, erklärte Hatty, dass sie nicht genug Geld dabeihabe, um den Zug von Ely nach Castleford nehmen zu können.
    Sie liefen einem Strom von Heimkehrern entgegen, doch bald hatten sie den letzten hinter sich gelassen und waren allein. Tom wusste, dass es jetzt an der Zeit war, mit Hatty zu reden, doch war sie offensichtlich überhaupt nicht gesprächslustig. Sie brauchte all ihre Kräfte fürs Eisläufen. Tom warf ihr hin und wieder einen verstohlenen Blick von der Seite zu und dachte immer wieder über Peters Worte nach; doch zu Hatty sagte er nichts.
    Der Mond ging auf, und es war Vollmond, wie die alten Männer angekündigt hatten. Sein Lichthof bedeutete, dass es Regen geben würde. Das Mondlicht wies ihnen den Weg und ließ ihn doch öde und einsam erscheinen. Alles, was sie hörten, waren der Wind und das Kratzen der stählernen Kufen auf dem Eis. Hatty und Tom mochten die Stille nicht, doch keiner durchbrach sie. In Schweigen, in Mondlicht und Einsamkeit gehüllt, glitten sie dahin.
    Vor sich, am rechten Flussufer, bemerkten sie eine knapp zwei Meter große dunkle Gestalt. Es musste ein Pfosten oder ein Baumstumpf sein, und sie achteten nicht weiter darauf. Dann, plötzlich, sahen sie, wie sich die Gestalt bewegte.
    Hatty stieß einen leisen Schrei aus, hielt aber nicht an fast schien es, als könne sie gar nicht. Der Fluss machte eine Windung und sie fuhr ins helle Mondlicht, doch der Mann – denn es war ein Mann – blieb ein unnatürlich großer schwarzer Schatten. Tom spürte, dass er sie beobachtete.
    Sie waren jetzt schon näher, bald würden sie auf seiner Höhe sein. Wieder bewegte sich die Gestalt am Ufer und jetzt rief sie etwas über das Eis, einen Gruß und eine Frage zugleich: »Miss Hatty…«
    Hatty schwankte in ihrem Lauf und Tom kam aus demTritt.
    »Wer ist da?«, rief sie, doch Tom hatte den Eindruck, dass sie die Stimme erkannt hatte. Er selbst hatte sie noch nie gehört. Ihre Schwünge wurden kürzer; sie schlug einen Bogen zum Ufer ein.
    »Ich bin es, Barty.«
    »Oh, Barty, schön dich zu sehen!«, rief Hatty und vergaß vor Erleichterung ihre Schüchternheit.
    Er kletterte den Uferhang herab – ein kräftiger junger Mann mit langem Mantel und den Gummistiefeln eines Bauern. »Aber wohin des Wegs, so ganz allein zu dieser Zeit, und dazu noch auf diesem Eis?«
    »Nach Castleford. Von dort kann ich den Zug nehmen oder zu Fuß nach Hause gehen. Ich muss heim.«
    »Was das angeht – ja, gewiss«, stimmte ihr Barty zu; »aber Sie sollten nicht alleine auf dem Eis laufen. Am besten, ich fahre Sie hin.«
    Offenbar war er mit seinem Einspänner auf dem Weg nach Hause vom Markt in Castleford. Er hatte einen Abstecher zum Fluss gemacht, um den

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