Als die Welt zum Stillstand kam
eigentlich gar nicht möglich, oder?« Und dann redeten alle durcheinander, sodass man nichts mehr verstehen konnte.
»Shit«, sagte Olle. »Das Wichtigste kriegen wir jetzt nicht mit!« Er setzte sich im Schneidersitz auf das Wagendach.
Celie setzte sich neben ihn. »Erstens, jedes Tor nimmt sich bei einer Fehlfunktion sofort selbst vom Netz, schaltet sich ab und verriegelt sich«, sagte sie. »Zweitens, damit ist dieses Tor isoliert und das Problem – was immer es ist – kann sich nicht ausbreiten. Drittens, es gibt pro Tag gerade mal eine Handvoll solcher Abschaltungen. Wenn die Tore also wirklich alle ausgefallen sind, muss etwas passiert sein, was es noch nie vorher gegeben hat.«
»Und woher weißt du das alles?«, fragte Olle erstaunt. »Ich dachte, die Daten über Probleme mit den Toren halten die UNO und T. O. R. unter Verschluss.«
Celie hätte sich am liebsten in den Hintern getreten. Sonst hatte das meistens Alex getan, und zwar, bevor sie alles vermasselt hatte. Aber der war ja in letzter Zeit nie da, wenn sie ihn brauchte. Sie musste sich selbst etwas einfallen lassen.
»Na ja«, sagte sie, »ich hab einen Freund, der arbeitet bei … bei der Irish Times , und der hat mir erzählt, dass diese Fakten seit Jahren kursieren.« Sie stand auf und spähte zum Fenster hinein. »Komm, es geht weiter!«
»… sollten wir also davon ausgehen, dass die Sicherheitsmechanismen versagt haben«, sagte Jason gerade, »und dass wir es tatsächlich mit einem weltweiten Ausfall der Tore zu tun haben, der für unbestimmte Zeit bestehen bleiben wird. Wir lassen uns gern eines Besseren belehren. Aber bis es so weit ist, werden wir für den schlimmsten Fall vorsorgen. Das bedeutet, dass wir zuallererst mit dem Bau weiterer Algentanks, Gewächshäuser und Kondensatoren beginnen und die Wasseraufbereitung doppelt absichern. Was noch?«
Paki begann, einen Vorschlag zu machen, als Conor plötzlich zum Fenster hinübersah. Seine Augenbrauen zogen sich auf seiner bleichen Stirn zusammen wie zwei Würmer, dann stürmte er quer durch den Saal.
»Weg hier!«, rief Olle, aber das brauchte er Celie nicht zu sagen. Sie sprang noch vor ihm vom Wagen. Sie rannten um die Ecke des Rathauses, dann weiter die Straße entlang, bis sie an den Fischteichen waren. Dort packte Olle Celie am Arm und keuchte: »Du kannst aufhören. Er ist nicht hinter uns her.«
Mag sein, dachte Celie. Aber sie fragte sich, wie lange sie ihre wahre Identität noch verheimlichen konnte, wenn Jasons rechte Hand erst einmal auf sie aufmerksam geworden war.
Berlin, Geriatrische Klinik
am Sonnenplatz
»Wir haben zwei Tage«, begann Schwester Susmita. »Wenn die Tore dann immer noch nicht funktionieren und wir damit auch keinen Strom haben, bricht hier alles zusammen.« Sie fuhr sich über die Augen. »Das wäre schon vor der Tor-Ära eine Katastrophe gewesen, aber jetzt werden unsere Städte ganz schnell zu Todesfallen. Wie Sie wissen, funktionieren die Wasserver- und -entsorgung – ebenso wie die Müllentsorgung – so, dass das Wasser von den Toren in den Wasserwerken direkt in die Versorgungstore in jedem einzelnen Haus gebeamt wird. Das bedeutet: Die Wasserwerke können schon jetzt kein Wasser mehr liefern und das Abwasser kann ohne Tore auch nicht entsorgt werden. Und selbst wenn es möglich wäre, die alten Leitungssysteme wieder zu aktivieren: Sie sind seit fast zwölf Jahren nicht gewartet worden. Wenn in den Häusern dieser Stadt je wieder Wasser durch die alten Rohre ankommen soll, müssen sie zunächst mal instand gesetzt werden. Und bis es so weit sein kann, sind wir alle längst verdurstet.« Sie holte tief Luft. »Wir müssen also die Toiletten sofort sperren, sämtliches Wasser daraus sammeln und statt der Toiletten Bettpfannen verwenden. Die müssen in verschließbare Behälter entsorgt werden, ansonsten bekommen wir es mit Cholera und Ruhr zu tun. Und wir müssen uns mit so viel Wasser eindecken, wie wir nur finden können. Die Notstromaggregate laufen zwei Tage lang, danach haben wir keine Aufzüge, keine Beleuchtung, keine Computer und keine funktionierenden medizinischen Geräte mehr. Kurz darauf wird die Nahrungsmittelversorgung zusammenbrechen …«
Sie sah alle der Reihe nach an.
»Das ist keine Spekulation von mir, sondern Realität. Herr Iffsen«, sie spuckte den Namen regelrecht aus, »hat auf meine Herkunft angespielt. Ja, ich habe als Kind in Bangladesch einen mehrwöchigen Stromausfall erlebt. Aber was ich Ihnen eben
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