Als die Welt zum Stillstand kam
tust?«
Celie konnte ihn nur anstarren. Wovon redete er? Sie erledigte ihre Pflichten in der Gemeinschaft, sie vermied alles, was Aufmerksamkeit auf sie lenken konnte. Und von ihren heimlichen Ausflügen konnte Jason unmöglich wissen …
»Denkst du, ich weiß nicht, dass du dich wegschleichst? Dass du dein Leben bei jeder Extremsportart aufs Spiel setzt, die jemals erfunden wurde?«
Er wusste es! Aber … sie war doch immer so vorsichtig gewesen! Niemand war in der Nähe gewesen, wenn sie von Klippen gesprungen war, sich ohne Seil an ihnen hochgehangelt hatte oder wenn sie mit einem der Pferde aus dem kommuneneigenen Gestüt in halsbrecherischem Tempo durch den Wald gejagt war, da war sie ganz sicher.
»Was geht dich das an?«, sagte sie, aber es klang bei Weitem nicht so aggressiv wie geplant.
Jetzt streckte er eine Hand aus und strich ihr eine Locke aus dem Gesicht. Celie war so verblüfft, dass sie sich nicht wehrte.
»Das geht mich sehr wohl etwas an.« Er flüsterte jetzt. »Ich will nämlich nicht, dass dir etwas passiert, Dawn. Für mich bist du … etwas ganz Besonderes.«
»Aha.« Das klang selbst in Celies Ohren lahm. Darum legte sie nach: »Und du bist überhaupt nicht mein Typ.«
Er kam noch näher. Sie konnte ein Geflecht kleiner Narben an seinem Hals erkennen, das sein Haar sonst verbarg. Sein Atem streifte ihr Gesicht, als er fragte: »Bist du sicher?«
Eine Stimme aus dem Rathaus rettete Celie. »Hey, Jason! Kommst du?«
»Einen Moment noch!«, rief Jason zurück. »Wir sehen uns«, sagte er zu Celie und ging.
»Das glaube ich nicht!«, presste Celie zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. Sie sah nur seinen Rücken, aber sie wusste trotzdem, dass er lächelte. Eingebildeter Muppet!
Sie hatte die Baustelle fast verlassen, als ein Kopf mit blonden Dreadlocks um die Ecke schaute. Olle grinste. »Na, Dawn, auch neugierig?« Er winkte sie verschwörerisch zu sich heran. »Da vorne steht ein Wagen, da können wir draufklettern und durchs Fenster spionieren. Es ist so heiß heute, da lassen sie es sicher offen stehen.«
Celie schüttelte den Kopf.
»Wirklich nicht neugierig? Kann ich mir gar nicht vorstellen«, meinte Olle und ging zu dem Wagen. »Also ich«, er begann hochzuklettern, »ich möchte für mein Leben gern wissen, was die in dieser Ratssitzung besprechen. Warum ist die eigentlich nicht öffentlich? Das mit den Toren geht uns doch alle an!«
Er duckte sich unter dem Fenster, dann spähte er vorsichtig hinein.
Celie stand unschlüssig herum. Sie wollte auf keinen Fall auffallen. Und wenn sie erwischt wurde, fiel sie auf. Unangenehm. Außerdem fand sie den Gedanken, dass Conor sie entdecken könnte, teragruselig.
Aber Olle hatte recht: Sie war neugierig. Der Torausfall warf Fragen auf, die bisher noch niemand gestellt hatte und auf die sie gern eine Antwort hätte. Vielleicht hatten die Kundschafter der Kommune ja etwas herausgefunden?
Olle half ihr grinsend hoch, als sie den Wagen hinaufkletterte, dann sahen sie beide durchs Fenster.
In dem großen Ratssaal gingen die etwa fünfzehn Ratsmitglieder herum und diskutierten laut. Doch dann verstummten die Gespräche, und alle starrten Jason an, der den Saal betrat.
Celie hatte geglaubt, dass im Rat jetzt wichtige Entscheidungen für die Zukunft gefällt wurden. Stattdessen überboten sich die Ratsmitglieder erst mal gegenseitig mit wilden Spekulationen und wüsten Anschuldigungen. Nur Jason sagte nichts, sondern lächelte in sich hinein. Und Conor, der wie ein dunkler Schatten hinter ihm stand, sagte auch nichts. Conor sagte nie etwas.
Vielleicht war das Jasons Taktik, dass er sie erst einmal Dampf ablassen ließ, bevor sie Entscheidungen treffen mussten. Schließlich ging ihre Welt gerade in die Brüche.
Celie verstand sie sogar. Als zwei Monate zuvor ihre eigene Welt zerbrochen war, hatte sie sich auch erst mal abreagiert. Und das meiste davon hatte Alex abbekommen.
»Dahinter steckt doch garantiert die UNO«, sagte der dicke Liam jetzt.
»Blödsinn!«, entrüstete sich ein weißhaariger Mann, den Celie nicht kannte. »Vielleicht bist du zu jung, um das zu verstehen, aber die UNO würde so etwas niemals tun!«
»Außerdem hat die UNO von der Erfindung der Tore am meisten profitiert«, gab eine Frau zu bedenken, deren Busen ihr neongrünes Dirndl beinahe sprengte.
Doch Liam gab sich noch nicht geschlagen. »Klar, sie sind dadurch so was wie eine Weltregierung geworden. Aber sie haben auch die gesamte
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