Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Als die Welt zum Stillstand kam

Als die Welt zum Stillstand kam

Titel: Als die Welt zum Stillstand kam Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: G Neumayer
Vom Netzwerk:
Was sollen wir denn jetzt machen?!«
    Schwester Ida legte Aslan einen Arm auf die Schulter. »Wir müssen uns auf die Klinik konzentrieren.«
    Ja, sie mussten sich auf die Klinik konzentrieren. Sie konnten nicht alle retten.
    Jenna hättest du retten können , flüsterte eine Stimme in Alex. Er war heilfroh, als Micki sagte: »Na, dann los.«
    Die Arme auf den Schultern derjenigen neben sich, betraten sie in einem engen Kreis den Laden.
    Eine Viertelstunde später waren sie wieder draußen. Mit achtzehn Flaschen Wasser, einer Flasche Strohrum und bedrückten Mienen.
    »Nur Wasser!«, hatte Schwester Susmita ihnen eingeschärft, »und vielleicht noch sehr hochprozentigen Alkohol.« Sie hatte leise ergänzt: »Den werden wir brauchen, wenn uns die Narkosemittel ausgehen.«
    Ihr gesamtes Bargeld besaßen sie auch noch. Die Verkäuferin, eine stämmige ältere Frau, hatte fassungslos hinter ihrer Kasse gesessen und zugesehen, wie ihr Laden geplündert wurde. Alex’ Gruppe hatte bezahlen wollen, auch wenn sich sonst jeder einfach nahm, was er wollte und was er gegen die anderen verteidigen konnte. Die Verkäuferin hatte ihr Geld zunächst einstecken wollen – die Kasse funktionierte ohne Strom nicht. Aber dann hatte sie müde abgewinkt und geschrien, um den Lärm der Plünderer zu übertönen: »Dafür können wir uns jetzt doch sowieso nichts mehr kaufen!«
    »Wohin jetzt?« Schwester Idas Stimme zitterte.
    »Wir brauchen noch was zu essen, Medikamente und Akkus«, sagte Micki.
    Die vier sahen sich an und einen Moment lang dachte Alex, sie würden es nicht packen und jeder würde gleich in eine andere Richtung wegrennen, er auch. Doch dann meinte Schwester Ida: »Gleich um die Ecke ist eine Apotheke«, und das gab den Ausschlag. Die Männer strafften die Schultern und sie zogen los. Vier Plünderer wider Willen, zu allem entschlossen. Fehlten nur noch die Cowboyhüte und die Colts.
    Alex fragte sich, wie weit sie gehen würden. Wie weit er gehen würde.
    In der Apotheke war es vergleichsweise ruhig. Die meisten konzentrierten sich bei ihren Hamsterkäufen bislang auf Wasser und Essen.
    »Und die Junkies erwarte ich erst, wenn es dunkel wird«, meinte der knochige Apotheker ungerührt. Er gab ihnen sämtliches Insulin, das er vorrätig hatte, und packte ihnen auch sonst alles ein, was Schwester Susmita aufgeschrieben hatte, obwohl sie bei Weitem nicht genug Geld dafür hatten.
    »Was ist schon Geld«, sagte er seufzend.
    Als sie gehen wollten, hatte Alex noch eine Idee.
    »Wenn Sie hier zumachen und nicht wissen, was Sie tun sollen: Wir können in der Klinik drüben jeden gebrauchen, der sich mit Medizin und so auskennt. Sagen Sie einfach, dass Schwester Susmita sie angefordert hat.«
    Der Apotheker überlegte kurz und nickte dann.
    »Die Klinik ist wahrscheinlich einer der sichersten Orte, wenn das so weitergeht.«
    Sie streiften noch zwei Stunden durch die Straßen, in denen es immer gefährlicher wurde, je mehr die Menschen die Hoffnung verloren, dass bald alles wieder beim Alten sein würde. Viele der Tore, von denen es etwa alle zwanzig Meter eines gab, waren aufgehebelt worden, aber keines funktionierte, und alles, was die Menschen darin fanden, waren noch mehr verletzte und verzweifelte Menschen.
    Wie hatte nur so schnell so ein Chaos ausbrechen können?, fragte Alex sich. Aber die Antwort lag auf der Hand: weil die gesamte Infrastruktur auf den Toren aufbaute. Weil ohne sie alles in null Komma nichts zusammenbrach. Weil kein Wasser mehr aus den Leitungen und kein Geld mehr aus dem Bankautomaten kam. Und weil die Menschen irgendwo gestrandet und viele von ihren Lieben getrennt waren.
    Die Ausbeute von Alex’ Gruppe war dürftig: vier kleine und zwei große Akkus, einige Packungen Mehl, Trockenerbsen und Haferflocken und zwei Packungen Schwarzbrot. Für nichts davon hatten sie bezahlt. Die Akkus hatten sie aus einem zerstörten Tor und einem herrenlosen Bike ausgebaut. Die Lebensmittel stammten aus einem kleinen Kellerraum, der von der Straße aus zugänglich war und dessen Tür weit offen stand. Er war geplündert worden, aber hinter einem Sicherungskasten hatten sie noch eine Plastikkiste mit den Lebensmitteln entdeckt.
    Noch wenige Stunden zuvor hätte Alex gezögert, einen fremden Keller zu betreten. Und erst recht, sich daraus zu bedienen. Zu stehlen, um das Kind mal beim Namen zu nennen. Aber das war in einer anderen Zeit gewesen und in einer anderen Welt.
    Die vier schwiegen, als sie den Weg zur nächsten

Weitere Kostenlose Bücher