Als die Welt zum Stillstand kam
Bankfiliale einschlugen. Auch wenn Geld schon so gut wie nichts mehr wert war, wollten sie versuchen, so viel abzuheben, wie sie konnten. Wenn das überhaupt noch möglich war.
Es war nicht möglich, das sahen sie schon von Weitem.
Der Vorraum der Bankfiliale, in dem die Geldautomaten standen, war voller Menschen. Einige hieben auf die nutzlosen Automaten ein, aber die meisten hämmerten gegen die Glastüren, die auf den Bürgersteig führten.
»Wieso lassen sie die denn nicht raus?«, fragte Aslan fassungslos.
»Weil die elektrischen Türen nicht funktionieren«, sagte Schwester Ida.
Aslan schnaubte. »Aber die muss man doch auch von Hand bedienen können!«
»Hier werden wir jedenfalls kein Geld bekommen«, stellte Micki fest und wandte sich zum Gehen. »Wir sollten machen, dass wir in die Klinik kommen«, fügte er hinzu. Seine Stimme klang gepresst, deshalb drehte Alex sich um. Die fünf Typen, die mit finsteren Mienen auf sie zukamen, sahen nicht so aus, als wollten sie sich mit ihnen unterhalten. Sie hatten es garantiert auf ihre gefüllten Rucksäcke abgesehen.
»Moment mal!«, rief Schwester Ida und deutete auf die Bank.
»Wir müssen los!« Micki zerrte an ihrem Arm. Aber Schwester Ida stieß ihn weg und rannte auf die Bank zu.
Jetzt sah Alex auch, was sie so aufgeregt hatte: Offenbar war die Tür vom Vorraum der Bank in die Schalterhalle kurz geöffnet worden, sodass eine Bankangestellte in den Vorraum hatte schlüpfen konnte. Als alle auf sie zustürmten, hielt sie etwas über ihren Kopf und schwenkte es. Es war zu klein, als dass Alex es erkennen konnte, aber die Leute ließen kurz von ihr ab. Sie kämpfte sich bis zur Tür vor und bückte sich. Im nächsten Moment öffnete sich die Tür. Aber nur ein Stück weit. Alle Menschen, die im Vorraum der Bank zusammengepfercht waren, drängten auf einmal durch die vielleicht einen halben Meter breite Lücke hinaus. Die Bankangestellte wurde angerempelt und fiel hin. Und die Leute kletterten einfach über sie hinweg!
Vor der Bank stand Schwester Ida und schrie sie an, aber niemand kümmerte sich um sie. Alex sah zwischen ihr und den Schlägertypen hin und her, die nur noch wenige Schritte entfernt waren.
Ab jetzt wird niemand mehr die Drecksarbeit für dich erledigen , hatte Schwester Hilke gesagt.
Blöde Kuh.
»Los, hier lang!«, rief er Micki und Aslan zu und rannte zu Schwester Ida.
Als er ankam, war es schon vorbei. Die Leute hatten sich alle durch den schmalen Türspalt gezwängt. Die Tür wurde jetzt nur noch von der Bankangestellten offen gehalten, die blutend am Boden lag.
Alex und Micki hielten die Tür auf, während Aslan die leichenblasse Frau herauszog. Sobald sie auf dem Bürgersteig lag, kniete sich Schwester Ida neben sie.
»Keine Sorge, wir helfen Ihnen. Ich bin Krankenschwester«, sagte sie und begann, die stöhnende Frau, die um die vierzig sein mochte, zu untersuchen. Ihr Bein blutete und irgendwas ragte daraus hervor …
Alex schaute schnell weg. Dabei stellte er fest, dass sich wenigstens die Schlägertypen inzwischen verzogen hatten.
Die drei Männer traten von einem Bein aufs andere, bis Schwester Ida fertig war.
»Alles halb so schlimm«, beruhigte sie die Frau, deren kurze braune Haare schweißgetränkt waren, und sah dann zu den Männern hoch. »Wir brauchen etwas, um das Bein abzupolstern. Und Decken. Sie hat einen Schock.«
»Klar.« – »Decken.« – »Haben wir gleich.« Erleichtert, dass sie wegkonnten, liefen die drei die Straße hoch. In einem verlassenen Matratzengeschäft fanden sie Decken und auf ihrem Rückweg entdeckte Micki noch etwas Brauchbares: ein Bügelschloss, das aus unerfindlichen Gründen neben einem nicht abgeschlossenen Transport-E-Bike lag.
»Das können wir zum Schienen benutzen«, sagte Micki.
»Und das Bike nehmen wir auch mit. Vielleicht können wir die Frau irgendwie darauf transportieren, wenn wir noch ein paar Kissen holen.« Aslan sah die anderen trotzig an, als erwarte er Widerspruch.
Micki räusperte sich. »Wenn wir es nicht mitnehmen«, sagte er, »dann tut es jemand anders. Und es ist ja für einen guten Zweck.«
Alex nickte nur. Stehlen war nach nur drei Stunden Torausfall schon ganz normal geworden. Was würden sie morgen wohl noch alles normal finden?
Als sie Schwester Ida das Schloss als Schiene präsentierten, schnaubte sie.
»Offene Brüche schient man doch nicht! Ihr müsst echt noch eine Menge lernen …«
Sie polsterte das Bein und deckte den Bruch ab. Alex
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