Als die Welt zum Stillstand kam
wurde schlecht, als er die blutigen Decken sah, die den herausragenden Knochen nicht ganz verdeckten. Er ließ sich auf den Bürgersteig sinken. Die Frau griff sofort nach seiner Hand und drückte sie. Sie kniff die Augen zusammen, aber die Tränen liefen ihr trotzdem die Wangen hinab.
Alex atmete ein paarmal tief durch.
»Ich weiß, das tut höllisch weh«, sagte er dann, »aber es ist gleich vorbei. Sie machen das ganz toll.«
Die Frau lächelte und drückte Alex’ Hand noch fester, sodass er beinahe aufgeschrien hätte. »Sie auch.«
Alex kam es wie eine Ewigkeit vor, bis das Bein endlich versorgt war und sie die Verletzte hinten auf das Transport-E-Bike auf den Turm aus Kissen setzen konnten. Micki schob, Schwester Ida und Alex hielten die Frau fest. Ihr Gesicht war nicht mehr ganz so blass, aber sie hatte Schweißperlen auf der Stirn, und man konnte sehen, dass sie Schmerzen hatte.
»Wir sind gleich da«, sagte Alex, als die Klinik in Sicht kam.
»Ich heiße Sofia«, murmelte die Frau. »Sie bleiben doch bei mir, nicht wahr.« Es klang wie eine Feststellung, nicht wie eine Frage.
»Aber klar«, sagte Alex. »Ich bin übrigens Alex.«
Alex traute seinen Augen nicht, als sie die Klinik erreichten. Wo hatten die Sicherheitskräfte die Gewehre her? Egal. Auch mit erhobenen Gewehren war es schwierig genug, die herandrängenden Menschenmassen davon abzuhalten, die Klinik zu stürmen. Offenbar hatte es sich herumgesprochen, dass das Krankenhaus bei der Notversorgung bevorzugt behandelt wurde.
Jede Menge Wagen verstopften die Einfahrt zusätzlich. Alex sah welche vom Technischen Hilfswerk, vom Roten Kreuz, von der Bundeswehr und von der Polizei, während sie sich mit ihrer Patientin auf dem E-Bike durch die Menge kämpften. Die umliegenden Pflege- und Altenheime wurden geräumt, wie sie von einem aufgebrachten alten Mann im Bademantel erfuhren, und nun sollte die Klinik die Menschen aufnehmen. Aber die Sicherheitsleute ließen niemanden durch, der nicht schwer krank oder verletzt war.
Wer diese Hürde passiert hatte, wurde auf einem kleinen Platz vorm Eingang von einigen Schwestern und Pflegern im Eiltempo begutachtet. Nur wenige durften durch – die meisten wurden abgewiesen. Wenn sie Glück hatten, wurden sie vorher noch notdürftig verarztet oder mit guten Ratschlägen versorgt.
Die Sicherheitsleute erkannten Alex’ Gruppe und ließen sie durch. Vorm Eingang betteten sie Sofia auf eine Trage um. Selbst dabei ließ sie Alex’ Hand keinen Augenblick lang los.
Alex atmete auf, als sie das Chaos draußen endlich hinter sich gelassen hatten. Doch auch im Krankenhaus hatte sich seit ihrem Aufbruch vor ein paar Stunden eine Menge verändert. Die Flure waren voller verletzter und panischer Menschen. Eine alte Frau auf einem zweibeinigen Roachy stürmte auf Alex und Aslan mit ihrer Trage zu. Im letzten Moment konnten sie dem Metallungetüm ausweichen, aber ein humpelnder Mann mit einem Rollator hatte nicht so viel Glück. Der Roachy traf ihn mit einem Bein im Rücken und schleuderte ihn gegen einen Kaffeewagen. Dort blieb der Mann liegen.
Wenn er nicht wieder auf die Beine kam, würde er von der Masse der Menschen zertrampelt werden.
»Wir müssen ihm helfen!«, schrie Alex den anderen zu. Micki und Schwester Ida gingen voraus, Alex und Aslan folgten ihnen mit der Trage.
»Können Sie aufstehen?«, fragte Micki, als sie sich zu dem Mann durchgekämpft hatten.
Der Mann stöhnte, klammerte sich an Mickis Arm und versuchte, sich an ihm hochzuziehen. Schwester Ida kam ihm zu Hilfe und gemeinsam richteten sie ihn auf.
»Können Sie gehen?«, fragte Sofia und klopfte mit der Hand neben sich auf die Trage. »Hier wäre noch ein Plätzchen frei.«
»Schon gut.« Der Mann stützte sich auf seinen Rollator.
»Auch in einem Tor eingeschlossen?«, fragte er Sofia.
»Elektrische Tür«, sagte sie.
Er deutete auf sein Bein. »Bin in der Sicherheitstür eines Tors eingeklemmt worden. Hatte aber Glück: Wurde schon nach einer Stunde befreit.« Er präsentierte stolz seine Arme voller Prellungen wie ein Soldat seine Kriegsverletzungen. »Möchte nicht wissen, wie viele noch in Toren festsitzen. Werden sicher einige verdursten. Grauenhaft.«
Er nickte ihnen zu und schlurfte davon.
»Na, dann mal weiter«, sagte Sofia.
»Schön, dass es Ihnen besser geht«, sagte Alex. »Aber wenn Sie denken, wir hätten den auch noch tragen können, trauen Sie unseren Muskeln echt zu viel zu.«
Sofia lächelte. »Ich bin sicher,
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