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Als die Welt zum Stillstand kam

Als die Welt zum Stillstand kam

Titel: Als die Welt zum Stillstand kam Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: G Neumayer
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sich in die Kommunen der Mobilen zurückgezogen, um dort weiterzuforschen. Energietechniker, Nano-Agrarwissenschaftler, Experten für Solaranlagen …
    So stand die Kommune, zum Beispiel was die Stromversorgung und damit auch die Nahrungsproduktion betraf, nicht schlecht da. Bei den Mobilen hatte man die Kunststoffsolarzellen weiterentwickelt und flächendeckend eingesetzt, als überall sonst der Wüsten- und Solarstrom und vor allem der vom Merkur nur noch durch das Tornetz kamen, und es gab einige Windräder und mehrere Superkondensatoren, in denen Strom gespeichert wurde. All das rettete die Menschen hier jetzt vor einem schnellen Untergang.
    Aber man merkte allmählich auch, wie schwierig es werden würde, auf Dauer ohne Medikamente und Ärzte auszukommen, vor allem aber ohne das Internet. Nicht zu wissen, was anderswo passierte, war schon schlimm genug. Aber auf einen wichtigen Bauplan oder eine ärztliche Behandlungsmethode nicht zugreifen zu können, wenn man sie brauchte, das konnte den Unterschied zwischen Leben und Tod bedeuten. Für einen einzelnen Menschen, aber auch für die Gemeinschaft als Ganzes. Klar, die Kommune beherbergte viele kluge Köpfe. Aber mit dem Internet hatte sie einen großen Teil ihres Gedächtnisses verloren. An Know-how war nur noch das verfügbar, was auf den stadteigenen Servern zum Zeitpunkt des Torausfalls gespeichert war. Außerdem das, was die Menschen wussten, die hier lebten, und das, was diejenigen mitbrachten, die hierherflüchteten.
    Celie runzelte die Stirn. Niemand konnte voraussehen, was geschehen würde, wenn der Herbst kam. All diese Menschen mussten bis dahin ein Dach über dem Kopf haben, Heizung, Vorräte … Vor allem das mit den Vorräten würde schwierig werden. Die Fischfarmen, Felder und Gewächshäuser waren auf die Versorgung von rund achthundert Menschen ausgelegt – nicht auf mehrere Tausend. Und auch wenn jetzt eifrig Häuser gebaut wurden, war nicht sicher, dass es für alle reichen würde. Denn wer wusste schon, wie viele noch kommen würden?
    Um das restliche kostbare Wissen zu bewahren, hatte der Erhalt der kommuneneigenen Server jedenfalls höchste Priorität. Ihre Wartung und Energieversorgung gingen vor, egal, welche Probleme es sonst noch geben mochte. Und jeder musste mit anpacken, das hatte Jason in einer seiner viel beachteten Ansprachen vor einigen Tagen deutlich gemacht. Darum war auch Celie immer noch für diesen Maintenance-Job eingeteilt, wie das offiziell hieß. Energie und Nahrung, darum drehte sich alles. Zumal immer mehr Menschen herbeiströmten, die alle etwas zu essen und sauberes Wasser brauchten.
    Du kannst nicht die ganze Welt retten, sagte Celie zu sich, um ihre Gedanken zu stoppen. Das hatte Mom immer zu Dad gesagt, wenn er in einer seiner depressiven Phasen gefangen war und glaubte, dass er als Erfinder des Tornetzes für alles Elend der Welt persönlich verantwortlich war. Doch es hatte nichts genutzt. Am Ende hatte Dad sich umgebracht. Manchmal glaubte Celie, das sei Moms Schuld gewesen. Weil sie immer nur gearbeitet hatte, statt sich um ihn zu kümmern. Manchmal glaubte sie auch, es sei ihre eigene Schuld. Weil sie Dad nicht hatte helfen können. Und dann verdeckte die Trauer wieder alles und sie fühlte sich nur noch leer.
    Celie schob diese Gedanken, die zu nichts führten, beiseite. Nein, sie war nicht verantwortlich. Weder für den Tod ihrer Eltern noch für die Welt oder für diese Kommune. Das alles ging sie im Grunde nichts an. Sie war keine Mobile, sie fühlte sich nicht als Teil der Gemeinschaft. Sie brauchte einfach einen Ort, irgendwo, wo sie unbehelligt leben konnte, von einem Tag zum nächsten, ohne große Pläne oder Hoffnungen. Sie war Dawn. Und das war alles.
    Celie versank für eine gute halbe Stunde in dawnscher Gelassenheit. Die geflickten Solarzellen auf dem Dach des Krankenhauses neu zu versiegeln, das verlangte ihr allerdings einiges ab – in dieser hochsommerlichen Hitze war es eine echte Strafe. Aber das galt zurzeit natürlich als wichtiger, als den Betrieb in der Musikschule aufrechtzuerhalten. Fand zumindest der Rat. Und darum kletterte Celie jetzt auf diesem Dach herum, statt Musikunterricht zu geben. Dabei hatte Karen recht: Musik war in schweren Zeiten noch wichtiger als sonst. Lebenswichtig. Das wusste niemand besser als Celie.
    Ich sollte mit Jason darüber sprechen, dachte Celie und fragte sich im nächsten Augenblick, wie sie auf so einen hirnrissigen Gedanken kommen konnte. Jason

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