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Als die Welt zum Stillstand kam

Als die Welt zum Stillstand kam

Titel: Als die Welt zum Stillstand kam Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: G Neumayer
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Der nächste Pfeil würde perfekt werden, das spürte er.
    Und selbst wenn nicht: Geröstete Grillen schmeckten auch sehr gut. Außerdem waren sie nahrhaft, wie seine Großmutter Wamami immer sagte.
    Imasu vertiefte sich in seine Arbeit, bis ihn ein Rascheln aufschauen ließ. Es war nichts zu sehen, aber das Rascheln wurde lauter. Es klang wie … ja, das mussten Wanderameisen sein. Imasu packte seine Sachen zusammen. Wenn man die Ameisen rechtzeitig hörte, konnte man ihnen problemlos aus dem Weg gehen. Die Schwärme aus Millionen von Tieren hatten sogar ihr Gutes. Wie Wamami immer sagte: »Sie sind die gründlichste Putzkolonne, die ein schlampiger Mensch sich für sein Heim wünschen kann.«
    Merkwürdig war nur: Das Rascheln kam aus der Richtung, in der Imasus Dorf lag. Dort mussten sie es schon vor Stunden gehört haben. Warum hatte dann niemand Alarm geschlagen?
    Während Imasu noch überlegte, ob er Zeit genug hatte, um ins Dorf zurückzulaufen, wurde das Rascheln viel zu schnell lauter. Und jetzt kam noch eine Art Stampfen hinzu. Das klang nicht nach Wanderameisen – aber auch nach keinem anderen Tier, das Imasu kannte. Egal. Er musste hier verschwinden. Seitlich zum Pfad des Schwarms oder der Herde, die da auf ihn zu raste.
    In dem Moment, in dem er loslaufen wollte, sah er etwas aus dem Augenwinkel. Nein. Das konnte nicht sein. Das war unmöglich!
    Die Pfeile und sein Beutel fielen zu Boden, während Imasu auf die unüberschaubare Masse von bleichen Gestalten starrte, die auf ihn zurannten. Als die ersten ihn erreichten, löste sich Imasus Starre. Aber da war es schon zu spät.
    Ich hätte nicht gedacht, dass die Geister so klein sind, das war sein letzter Gedanke.
    »Ich will nach Hause!« Mick zerrte an dem Kragen seiner blau-weißen Schuluniform. Das blöde Ding! Ständig krochen irgendwelche Tiere da rein.
    Ein Junge, der bestimmt schon in der vierten Klasse war, drückte ihm ein Stück gebratenes Fleisch in die Hand. »Iss erst mal, dann wird’s schon wieder.«
    Mick verschlang das Fleisch, als hätte er seit Wochen nichts gegessen. Aber die widerlichen Spinnen und Heuschrecken, die sie sonst immer essen mussten, das war auch nichts Richtiges zu essen! Als Ms Cramer noch nicht von der Schlange gebissen worden war, hatte sie ihm immer ein Stück Obst oder so was zugesteckt. Aber Ms Cramer war tot. Alle Lehrer waren tot. Erst schleppten sie die ganze Schule hier in den Dschungel und dann starben sie und ließen einen allein. Jetzt mussten Mick und die anderen selbst rausfinden, was giftig war und was man essen konnte.
    Wie alle kleineren Kinder hatte Mick sich am Anfang auf alles gestürzt, was irgendwie essbar aussah. Aber nachdem er miterlebt hatte, wie sein Freund Jamal von einer lecker aussehenden roten Frucht erst schreckliche Krämpfe bekommen hatte und dann gestorben war, hatte er damit aufgehört. Und bald gemerkt, wie die Älteren sich vor giftigen Pflanzen schützten: Sie beobachteten die Kleinen ganz genau. Wenn jemand von denen eine Pflanze aß und bald darauf starb, dann mieden die Großen sie. Seitdem machte Mick es genauso – auch wenn sein Magen vor Hunger so wehtat, dass er kaum gehen konnte.
    Darum waren außer ihm auch kaum noch Erst- oder Zweitklässler übrig. Und Mick musste sich mächtig anstrengen, um mit den Größeren mitzuhalten.
    »Es geht weiter.« Der Junge, der ihm das Fleisch gegeben hatte, stand auf.
    Mick sprang auf die Füße. »Das war lecker! War das ein Wildschwein?«
    Der Junge drehte Mick den Rücken zu. »Frag nicht so dumm«, sagte er barsch.

Kapitel 8
    Aus Jennas Tagebuch:
    18. Juli 2024
    Die Welt hat sich in den letzten Monaten auf unglaubliche Weise verändert. Nach den schrecklichen Ereignissen aus der Anfangszeit vor allem zum Besseren.
    Aber nicht bei uns.
    Wir wohnen in einer riesigen Villa mit einem Park drumherum, arbeiten in unseren fantastisch ausgestatteten Labors im Keller, haben keine finanziellen Sorgen mehr und bekommen jede Unterstützung, die man sich als Wissenschaftler nur wünschen kann – aber das alles würde ich, ohne zu zögern, hergeben, wenn ich dafür Felix wiederbekommen könnte.
    Es wäre komisch, wenn es nicht so traurig wäre: Der Miterfinder der Tore hat seit ihrer Einführung kein einziges Mal das Haus verlassen. Er hockt Tag und Nacht in seinem Zimmer und starrt auf die Wand, die er in den letzten Monaten zu einem Altar des Grauens gemacht hat: voller Bilder, Zeitungsausschnitte, E-Mails und Briefe zu den Katastrophen,

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