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Als die Welt zum Stillstand kam

Als die Welt zum Stillstand kam

Titel: Als die Welt zum Stillstand kam Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: G Neumayer
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die die Tore herbeigeführt haben. Ich habe ihn gebeten, all das wegzuwerfen – schon wegen Celie. Aber er hat, wie so oft, überhaupt nicht reagiert. Heute habe ich ihn jedoch förmlich gezwungen, aus dem Haus zu gehen, indem ich Celie vorgeschickt habe. Wir sind zu dritt nach Köln gebeamt, in Felix’ Heimatstadt. Ich wollte, dass wir seine Schwester besuchen, aber er hat sich mit Händen und Füßen gewehrt. Er ist so laut geworden, dass ich schließlich nachgegeben habe. Celie hat dann ganz in der Nähe einen Spielplatz entdeckt und zu dem sind wir gegangen. Celie ist gleich zum Sandkasten gelaufen und hat dort versucht, einen stillen, dunkelhaarigen Jungen zum Spielen zu animieren.
    Als Felix die beiden beobachtete, wirkte er zum ersten Mal seit Wochen fast entspannt. Ich habe dann einfach drauflos erzählt, von all dem Positiven, das die Tore mittlerweile bewirkt haben. Von der weltweiten Welle der Hilfsbereitschaft für hungernde und von Katastrophen betroffene Menschen, denen nun jeder in wenigen Sekunden direkt etwas zu essen oder Geld oder andere Hilfsgüter bringen kann. (Dass all die armen und hungernden Menschen, die in unsere reichen Städte beamen, unter Polizeischutz zurückgebeamt und für jedes Land außer ihrem eigenen gesperrt werden, habe ich natürlich außen vor gelassen.) Ich habe erzählt von den geheimen Enklaven politisch Verfolgter, in denen sie sicher sind. Von all den Menschen, die wegen eines Arbeitsplatzes ihre Heimat verlassen hatten und die nun in Scharen nach Hause zurückkehren. Von der medizinischen Versorgung, die inzwischen für fast jeden rechtzeitig erreichbar ist. Von der unbegrenzten kostenlosen Energie, die uns die Tore auf dem Merkur, in den Wüsten, an den Küsten und hoffentlich bald auch in direkter Nähe der Sonne bringen. Von der Industrie, die mit lebensgefährlichen Stoffen arbeitet und die inzwischen weitgehend auf den Mond verbannt wurde. Und von der UNO, die sich als eine Art Weltregierung bislang ganz gut macht. Auch die ermutigenden Prognosen habe ich aufgezählt: dass sich die Tierbestände in den Schutzzonen ohne Tore und vor allem durch die Aufgabe der meisten Straßen erholen werden, dass der Lebensstandard aller Menschen steigen wird, dass demnächst niemand mehr verhungern oder bei einer Überschwemmung umkommen muss.
    Felix hat sich das alles stumm angehört und dann hat er dagegengehalten. Mit den diktatorischen Machthabern in Nordkorea und anderswo, die ihre Bevölkerung systematisch vom neuen Wohlstand und den Toren abschneiden. Mit den Mördern und Vergewaltigern, die sich auch von dem mittlerweile üblichen lebenslangen Ausschluss vom Tornetz nicht von ihren Verbrechen abhalten lassen. Und mit den unzähligen Selbstmorden derer, deren Existenz durch die Tore vernichtet wurde.
    Auch wenn ich ihn nicht wirklich erreicht habe, war es doch gut, dass Felix wenigstens mit mir gesprochen hat. Ich habe wieder ein wenig Hoffnung.
Irland, Mobilen-Kommune
    Celie wurde durch ein Klopfen an ihrer Wohnungstür geweckt.
    Schlaftrunken nahm sie den Zettel entgegen, den ihr eine Frau mit müden Flüchtlingsaugen entgegenstreckte.
    Persönliche Nachrichten wurden inzwischen häufig von Boten überbracht – das Funknetz der Kommune war vor allem den Mitteilungen des Rates und den Übertragungen des Mobilen-Senders vorbehalten. Jeder war gehalten, sein Handy nur noch im Notfall zu benutzen. Angeblich, weil man Energie sparen musste. Celie war nicht die Einzige, die das für eine Ausrede hielt.
    »Eine Nachricht vom Rat«, sagte die Frau entschuldigend und deutete auf die Signatur.
    Jason. Celies Herz schlug schneller.
    Keine zwanzig Minuten später – nach einer Katzenwäsche und einem Brot vom Vortag, das sie im Bistro nebenan bekommen hatte – stand Celie vor der Musikschule. Sie hatte es nicht glauben wollen, aber es war genau so, wie es in Jasons Nachricht gestanden hatte: Die Musikschule hatte wieder geöffnet. Und Celie war ab sofort vom Solarzellenflicken befreit, um hier zu arbeiten.
    Sie würde Karen nachher ein Stück Kuchen organisieren. Die Ärztin musste sich im Rat für die Musikschule eingesetzt haben, dafür hatte sie sich eine Leckerei verdient.
    »Super, dass du da bist!«, rief Pietro, ein sechzigjähriger Pianist mit der Figur eines Wrestlers, und wuchtete einen Satz Bongos von einem Tisch. »Ist das nicht packy, dass wir wieder aufmachen? Hier, halt doch mal.«
    Er drückte Celie einen Notenständer in die eine und einen Trompetenkoffer in

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