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Als die Welt zum Stillstand kam

Als die Welt zum Stillstand kam

Titel: Als die Welt zum Stillstand kam Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: G Neumayer
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unverzichtbar.
    Und schließlich gab es da noch einen kleinen, freundlichen Mann, den Alex gar nicht auf Anhieb erkannt hatte, obwohl er ihn schon x-mal im Holo-Vid gesehen hatte: »Feather«, einer der berühmtesten Gitarristen der Welt, der so hieß, weil seine Finger leicht wie Federn über die Saiten flogen. Sein Haus mit angeschlossenem Stadion befand sich in der Nähe von Nijmegen und dort waren jetzt auch seine beiden Kinder. Feather machte sich furchtbare Sorgen um sie und spielte ständig nur niederschmetternd traurigen Blues.
    Zurzeit spielte er aber nicht, sondern bewachte mit zwei Klempnern und Rubens Bruder Pepe die Gruppe, die sich auf einer Wiese neben der Autobahn um das Funkgerät versammelt hatte. Man hätte fast meinen können, dass hier eine Großfamilie ein Picknick veranstaltete. Wenn die Wachen nicht gewesen wären. Und der grauenhafte Gestank der toten Kühe aus dem Stall nebenan, die verdurstet waren, nachdem der Bauer sich abgesetzt hatte. Und die tote Frau im Garten.
    Gegen ein Picknick sprach auch, dass es so gut wie nichts zu essen gab und kaum etwas zu trinken. Darum hatte Frau Kanowski, die die Vorräte verwaltete, am Morgen ein Machtwort gesprochen. Und obwohl sie dadurch Zeit verloren, hatten alle zugestimmt, die Autobahn zu verlassen, um Nahrung und Wasser zu suchen.
    Glücklicherweise war die Hitze nicht mehr so sengend wie noch wenige Tage zuvor. Der Herbst kam. Alex wollte gar nicht daran denken, was der Winter bringen würde. Wenn es richtig kalt wurde und man ohne Dach über dem Kopf und eine funktionierende Heizung aufgeschmissen war … Aber bis dahin würde er längst in Irland sein. Und wenn er Celie gefunden hatte, würden sie jedes Problem, das auf sie zukam, gemeinsam bewältigen.
    Okay, das klang selbst in seinen eigenen Ohren tonto. Vielleicht wollte Celie ihn ja gar nicht. Er glaubte zwar irgendwie daran, dass sie ihn … mochte. Gern hatte. Dass sie ihn … liebte! Aber das hieß ja nichts. Er hatte sie auch jahrelang geliebt, ohne es zu kapieren. Und ob sie jemals aufhören würde, wütend auf ihn zu sein? Egal. Er würde sie finden, und dann würde sie merken, dass nicht nur sie stur sein konnte.
    Jetzt mussten Bernie und er es erst einmal bis zum Meer schaffen. Es gab Gerüchte, dass man für die Überfahrt mit einem der Schiffe dort horrende Preise zahlen musste und dass Piraten das Meer unsicher machten. Aber damit konnten sie sich herumschlagen, wenn sie da waren. Den Weg dorthin zu überleben, das war jetzt ihre dringendste Aufgabe.
    Nachdem die Gruppe am Morgen zwei Stunden durch die Gegend gelaufen war, hatten sie endlich ein Feld gefunden, das noch nicht völlig abgeerntet war. Blumenkohl war zwar nicht gerade Alex’ Lieblingsgemüse, aber er war ebenso dankbar wie alle anderen, dass sie hier genug fanden, um einige Tage über die Runden zu kommen.
    Alex war froh, dass der Bauernhof verlassen war. Sonst hätten Ruben und die anderen sich mit Gewalt genommen, was sie brauchten. Er hatte das schon einmal erlebt und er wollte so was nie wieder sehen. Hungrige Menschen, die verbissen gegeneinander kämpften, weil nicht genug für alle da war. Damals war niemand gestorben – der Bauer hatte irgendwann eingesehen, dass er gegen die Übermacht keine Chance hatte –, aber das war pures Glück gewesen. Alex wollte nicht darüber nachdenken, was passieren würde, wenn es einmal um Leben und Tod gehen sollte. Der Gedanke, jemanden zu töten, war … Undenkbar. Er könnte das niemals. Nein. Niemals!
    Das Bauernhaus, das zu dem verlassenen Hof gehörte, war bereits geplündert worden. Außer einer Gabel, die hinter den Kamin gerutscht war, fanden sie nichts Brauchbares. Aber auf der Wiese hinterm Haus stand ein Birnbaum, an dem weit oben noch reife Früchte hingen. Die kleinen Luengo-Kinder hatten einen Riesenspaß daran, auf dem Rücken des Roachys zu stehen, während er seine Beine teleskopartig ausfuhr, um die Birnen zu pflücken.
    Auf dem Weg hierher war Alex klar geworden, dass nicht nur auf der Autobahn Gewalt und Tod herrschten, sondern dass das inzwischen überall an der Tagesordnung war. Noch mehr erschreckte ihn, dass er allmählich abstumpfte. Ja, auch er war, wie alle anderen, an den vielen toten Kühen vorbeigegangen, als wäre das nichts Besonderes. Sogar als sie die Leiche einer alten Frau im Garten des Bauernhofs entdeckt hatten, war er nicht entsetzt gewesen, sondern hatte sich nur – wie alle Erwachsenen der Gruppe – vor die Kinder

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