Als die Welt zum Stillstand kam
jetzt.
Seine Miene verdüsterte sich. Das ging zu weit. Er würde nicht zulassen, dass man dem Bürgermeister Vetternwirtschaft nachsagte. Es wurde Zeit, dass er Brigid klarmachte, wer hier das Sagen hatte.
Er wollte den Computer schon herunterfahren, als eine Aufnahme von Celie mit Karen vor dem Krankenhaus auf der Screen erschien. Das würde er sich noch ansehen müssen. Es gefiel ihm gar nicht, dass das Mädchen so viel Kontakt zu der alten Querulantin hatte. Karen war gefährlich: Sie hatte mehr Verstand als alle anderen im Rat zusammen. Es war jedenfalls ein guter Schachzug gewesen, anzuregen, dass ihr nach dem Zusammenbruch die Leitung des Krankenhauses übertragen wurde. Sie war jetzt so ausgelastet, dass sie kaum noch Zeit hatte, ihm in die Quere zu kommen.
Als er sich die Aufnahme weiter ansah, bereute er seinen voreiligen Schluss. Karen war offenbar nicht so beschäftigt, als dass ihr nicht aufgefallen wäre, wie ausgesprochen gut die Stadt für den Torausfall gerüstet gewesen war. Und zu allem Überfluss hatte sie Celie auch noch gesagt, dass nicht sie es gewesen war, die sich für die Wiedereröffnung der Musikschule eingesetzt hatte.
Er fuhr den Computer herunter und stand auf. Zuerst würde er sich Brigid vornehmen, dann würde er mit Celie sprechen. Und um Karen musste er sich ebenfalls kümmern, bald. Er verschloss seinen geheimen Raum und stieg die Treppe hinauf.
Er war noch nicht oben angelangt, als es an der Tür klingelte.
Im ersten Moment sah Jason etwas irritiert aus, als habe Celie ihn bei etwas Wichtigem gestört. Aber dann lächelte er, hielt ihr die Tür auf und bat sie herein.
Celies Herz klopfte, als sie sein Haus betrat. Die Höhle des Löwen. Und der Löwe würde vermutlich nicht mehr so freundlich lächeln, wenn sie ihn erst zur Rede stellte.
Sie spürte schon wieder seinen Blick im Nacken kribbeln und konnte nichts dagegen tun, dass sie nervös war. Aufgeregt. Shit, dieser Typ machte sie verrückt!
Um sich abzulenken, konzentrierte sie sich auf die Einrichtung seines Wohnzimmers.
Ein Schreibtisch mit Papieren, ein kleines Regal voller Bücher, Screens, zwei Holzstühle, ein schwarzes Sofa, ein Couchtisch, eine Schale mit Schokolade, Erdnüssen und Gummibärchen – ein heutzutage geradezu obszöner Luxus … Kein einziges Bild an der gelben Wand, keine Fotos, nicht einmal irgendeine Nippesfigur. Wenn es die Süßigkeiten nicht gegeben hätte, hätte hier jeder beliebige Mensch wohnen können.
»Was möchtest du trinken, Dawn? Ich hab Tee da, Cola, Limo und irgendwo müsste auch noch ein Bier sein …«
»Eine Limo, danke.«
Jason verließ das Wohnzimmer. Celie ging zu dem kleinen Bücherregal. Welche Bücher jemand besaß, das sagte eine Menge über ihn aus. Mal sehen, was sie hier über Jason erfuhr.
»Die mobile Bewegung«, »Zeit des Umbruchs« – bis dahin keine Überraschung. Ein Aphorismenband von Jeannine Luczak, ein Exemplar von »1984«. Und daneben: »Grundlagen der Transtorq-Technologie« von Felix und Jenna Kranen. Celie erkannte die Erstausgabe von 2025 sofort.
»Na, was Spannendes gefunden?«
Celie schrak zusammen. »Sorry, ich hab nur …«
Jason reichte ihr ein Glas, sichtlich amüsiert. Heute trug er nur ein T-Shirt, kein langes Hemd wie sonst. Er hatte enorme Muskeln, fiel Celie auf. Und Narben. Eine schien sich bis zum Rücken zu ziehen. Woher die Narben wohl stammten?
»Sieh dich nur um, ich hab keine Geheimnisse«, sagte Jason.
Celie lächelte. Dann sind wir ja quitt.
»Also, ich freue mich, dass du mich mal besuchst.« Jason ließ sich auf sein Sofa fallen. »Was verschafft mir denn die Ehre?«
Celie setzte sich auf einen Stuhl, jetzt wieder teranervös. Am besten brachte sie es schnell hinter sich.
»Jason, tut mir leid, wenn ich …« Nein, noch mal von vorn. »Also, ich würde gern etwas wissen.«
Er lehnte sich vor. Wenn er sie doch nur nicht so ansehen würde!
»Warum hast du die Musikschule wieder aufgemacht?«
Jason sah aus, als erwarte er, dass da noch mehr kam. Dann lachte er. »Darüber machst du dir Gedanken?«
»Na ja.« Celie kam sich fast selbst albern vor. Aber sie musste es jetzt wissen.
»Ich bin nicht die Einzige. Bri … Jemand hat angedeutet, das hättest du für mich gemacht. Weil du … weil wir angeblich …«
Jason stellte sein Glas krachend auf den Couchtisch. »Das ist doch wohl ein Witz, oder?« Er stöhnte. »Das darf doch echt nicht wahr sein! Als hätten wir nicht schon genug
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