Als die Welt zum Stillstand kam
Probleme …«
Celie starrte in ihr Glas. Jetzt kam ihr die Sache plötzlich auch total loco vor. Er war doch auch viel älter als sie, fast acht Jahre. Wie hatte sie sich von Brigid nur so verrückt machen lassen können?
»Okay«, sagte Jason, »dann mal zum Mitschreiben: Ich habe die Schule wiedereröffnet, weil wir sie brauchen. Die Menschen sind durcheinander, sie haben Angst, sie wissen nicht, was noch alles auf sie zukommen wird. Aber mit Angst baut man keine neue Welt auf. Darum erschien es mir und dem ganzen Rat vernünftig, so viel Normalität zurückzuholen wie möglich. Das Theater macht ja auch wieder auf und die Holo-Vid-Arena ebenso.« Er lächelte. »Aber du bringst mich da auf eine Idee: Wir sollten noch mehr tun. Den Leuten eine Abwechslung bieten, etwas, worauf sie sich freuen und worauf sie hinarbeiten können.«
»Wie wäre es mit einem Konzert? Für die Kinder und alle anderen auch«, sagte Celie. »Wir könnten das von der Musikschule aus organisieren.«
»Brillante Idee!«, rief Jason. »Damit tun wir dann auch etwas für die Kinder, die unter der neuen Situation am meisten zu leiden haben. Und wir zeigen ihren Eltern, dass wir uns um sie kümmern.« Er runzelte die Stirn. »Es gefällt mir gar nicht, dass viele ihre Kinder Vorräte beschaffen lassen, auf den Feldern und noch weiter draußen. Wir müssen allen klarmachen, dass wir unsere Leute auch weiterhin versorgen können.«
Celie hörte das kaum noch. Ein Konzert. Das würde sie auf andere Gedanken bringen. Zuerst müssten sie die Eltern überzeugen. Darum müsste der Rat öffentlich klarstellen, dass niemand für die Konzert-Vorbereitungen auf irgendetwas verzichten musste. Vielleicht konnte man auch …
»Ich nehme mal an, du würdest das Konzert gern vorbereiten?«, sagte Jason in Celies Gedanken hinein.
»Ja«, sagte sie und wunderte sich über sich selbst. Sie hatte wirklich Lust darauf. Und es wäre eine gute Ablenkung von all dem Chaos. Und von den düsteren Gedanken, die sie verfolgten …
Die Erinnerung an Jennas Tod traf sie plötzlich wieder mit solcher Wucht, dass ihr die Kehle eng wurde. War sie dabei, ihre Mom zu verraten? Indem sie sich hier engagierte – an einem Ort, wo Jenna Kranen als Urheberin allen Unheils galt und wo die Menschen sie hassten?
Sie stellte ihr Glas ab. Ihre Hände zitterten.
»Oder möchtest du das nicht?«, fragte Jason erstaunt.
Vermutlich wäre es dir ja auch teraegal, Mom. Wie alles, was mich betraf.
Celie räusperte sich. »Doch.«
Plötzlich heulte sie los. Und dann waren Jasons Arme da und hielten sie.
Als sie sich schniefend wieder von ihm löste, rückte er von ihr ab.
»Tut mir leid«, sagte Celie. »Kommt nicht wieder vor.« Sie lachte. »Wenn das jemand gesehen hätte …«
Jason wich ihrem Blick aus und fixierte einen Punkt an der Wand. Dann sah er sie so eindringlich an, dass ihr heiß und kalt wurde.
»Okay, Dawn, ich will, dass das ein für alle Mal klar zwischen uns ist.« Die nächsten Worte fielen ihm sichtlich schwer. »Also, das mit der Musikschule … Ja, es ist gut und es ist sinnvoll, aber ich gebe zu: Ich habe es nicht zuallererst getan, um die Moral zu heben. Sondern deinetwegen.«
Celie hielt die Luft an.
Stille breitete sich zwischen ihnen aus.
»Wenn du mich dafür verachtest, kann ich es nicht ändern. Ich werde dir auch niemals zu nahe treten, wenn du mir kein Zeichen gibst …«
Er fuhr sich durchs Haar.
»Verdammt, ich wollte das nicht. Und wenn du nicht möchtest, reden wir nie wieder darüber. Aber als ich dich zum ersten Mal sah …«
Celie kam sich vor wie in einem Film. Eine Horror-Liebesgroteske. Das durfte doch nicht wahr sein!
»Der Job als Bürgermeister …«, Jason setzte noch mal an: »Ständig muss man sich mit Leuten rumschlagen, die einem offen ins Gesicht sagen, dass man zu jung, zu unerfahren oder einfach nicht der Richtige ist, um die richtigen Entscheidungen zu treffen.« Er lachte. »Na ja, so was traut sich heute keiner mehr zu sagen. Aber manche denken es immer noch. Da will man manchmal nur noch weg, ausbrechen, fliehen. Und als du dann ankamst«, seine Stimme wurde leise, »da hatte ich das Gefühl, eine verwandte Seele zu treffen.« Er verschränkte die Hände ineinander. »Jedenfalls, lange Rede, kurzer Sinn: Ja, ich mag dich, und das mit der Musikschule … Da haben die Gerüchte recht gehabt. Aber ich würde dich niemals belästigen, das musst du mir glauben. Ab sofort werde ich mich tadellos betragen. –
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