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Als die Welt zum Stillstand kam

Als die Welt zum Stillstand kam

Titel: Als die Welt zum Stillstand kam Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: G Neumayer
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dem Ehepaar, vier Kindern, Ruben, Alex, Bernie, der Maklerin Lila und zwei Onkeln von Ruben.
    Von dem Zeitpunkt an, als die Belgier weg waren, hatten sie mehr Glück als Verstand gehabt. Einmal hatte die Tarnplane ihnen das Leben gerettet, als sie bei einem Abstecher in einen Wald von einer Horde Jugendlicher mit Armeegewehren eingekreist worden waren. Im dämmrigen Licht hatte die Plane ausgereicht, um sie vor den Verfolgern zu verstecken. Ansonsten bauten sie auf die abschreckende Wirkung von Ruben, der mit seiner wilden Mähne, seinen Tätowierungen und einer Lederjacke voller Nieten, die er irgendwo gestohlen hatte, inzwischen aussah wie ein Rocker aus der Hölle. Die Messer, die er ebenso wie die anderen Erwachsenen offen zur Schau trug, taten ein Übriges. Trotzdem waren sie zweimal angegriffen worden, hatten die Angreifer aber zurückschlagen können. Alex hatte bei den Kämpfen Blut und Wasser geschwitzt. Das Leben auf der Autobahn mit all den Toten und all dem Leid hatte ihn zwar abgestumpft, aber mit dem Wissen, dass er jemanden umgebracht hatte, konnte er nicht leben, das wusste er. So gut es ging, verdrängte er, dass er gar nicht sicher wusste, ob er nicht doch vielleicht jemanden getötet hatte, beim Kampf um die Zivile Notfallreserve.
    Die vielen Verluste der letzten Zeit schienen Ruben müde gemacht zu haben. Obwohl er mit Alex und Bernie den Arzt und den Techniker verlor, war er bereit, sie gehen zu lassen. Allerdings musste Alex Lila vorher einen Großteil seiner Arzneien mit genauen Anweisungen übergeben und an Bernies Werkzeug bediente Ruben sich ebenfalls. Den Roachy ließ er Bernie nur deshalb, weil der keinem anderen folgte und auch niemand außer Bernie wusste, wie man ihn reparierte.
    Wie immer, wenn jemand die Gruppe offiziell verließ und nicht heimlich abhaute, tauschte man Heimatadressen aus. Es war ein Ritual der Hoffnung, dass alle überlebten und dass die Welt irgendwann wieder ins Lot kam. Dasselbe galt für den Abschiedssatz: »Man sieht sich.«
    Bernie schenkte Carmen einen kaputten akustischen Sensor des Roachys als Erinnerung und bekam dafür eine dicke Umarmung. Zu Alex’ Verblüffung nahm Ruben ihn kurz vor ihrem Aufbruch beiseite und steckte ihm eines seiner Messer in die Tasche. »Und benutz es gefälligst, wenn es nötig ist«, knurrte er. Er drehte sich um und gab seiner Gruppe ein Zeichen. »Man sieht sich!«, sagten alle, dann ging die Luengo-Gruppe weiter.
    Eine Weile sahen Alex und Bernie den Menschen noch nach, mit denen sie fast zwei Monate lang alles geteilt hatten. Schließlich holte Bernie tief Luft und sagte: »Na, dann los. Celie wartet.«
    »Hoffentlich«, sagte Alex.
    Die Gerüchte, die sie über Calais gehört hatten, waren noch untertrieben gewesen. Hunderte Menschen warteten hier, um einen Platz auf einem der wenigen Schiffe und Boote zu ergattern, die zwischen Calais, England und Irland noch verkehrten. Wie Alex und Bernie erfuhren, waren manche schon seit Wochen hier und lebten in Zelten oder provisorischen Hütten, inmitten von Abfall und Dreck. Der Gestank war so entsetzlich, dass er den beiden die Tränen in die Augen trieb, obwohl sie von der Autobahn einiges gewohnt waren. Aber die Toiletten, die hier vor Wochen aufgestellt worden waren, waren längst übergelaufen und die meisten machten seither einfach ins Meer.
    Alex und Bernie redeten mit einigen Leuten und erfuhren, dass die Preise für eine Überfahrt inzwischen unglaublich gestiegen waren. Nur wer hochwertige Elektronik oder Akkus zu bieten hatte, hatte eine Chance, mitgenommen zu werden.
    Bernie beschloss schweren Herzens, den Roachy gegen eine Überfahrt nach Dublin einzutauschen. Aber keiner der Kapitäne hatte Interesse.
    »Was soll isch denn auf meine Boot mit eine Robot, eh?«, brachte einer es auf den Punkt. »Vielleischt Algen ernten? Und wer macht die Robot ganz? Solsche Robot gehen doch immersu kaputt, n’est-ce pas?«
    »Ich glaube, das war’s«, sagte Bernie, als sie es bei jedem einzelnen Schiff und jedem Boot versucht hatten. »Wenn wir nicht schwimmen, kommen wir wohl nicht rüber.«
    Alex antwortete nicht, sondern fingerte gedankenverloren an seinem Shirt herum. Schließlich gab er sich einen Ruck. »Ich hab da noch was.« Er hielt Bernie Celies Kette vor die Nase.
    »Ist das die, die du in Barcelona gekauft hast?«, fragte Bernie.
    Alex nickte.
    »Dann wirst du sie nicht eintauschen.«
    »Aber wenn wir doch nichts anderes haben …«
    »Wir finden was«, sagte Bernie.

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