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Als die Welt zum Stillstand kam

Als die Welt zum Stillstand kam

Titel: Als die Welt zum Stillstand kam Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: G Neumayer
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»Zwei so cleveren Jungs wie uns wird doch wohl noch was einfallen, wie wir übers Meer kommen können!«
    »Lass uns erst mal hier verschwinden«, sagte Alex. Er packte Bernie am Ärmel und zog ihn mit sich.
    »Was ist denn los?«
    »Wir müssen hier weg!«
    Alex zerrte Bernie in Richtung Stadt, fort vom Hafen und vom Strand.
    »Na, hier werden wir wohl nirgendwo ein Boot finden«, sagte Bernie.
    »Dafür bleiben wir aber vielleicht am Leben«, erwiderte Alex.
    »Wie meinst du das?«
    »Hast du den Mann gesehen, der am Hafen vor dem Fass saß und sich die Seele aus dem Leib gekotzt hat?«
    Bernie nickte.
    »Er war nicht der Einzige«, sagte Alex. »Und ich wette, da gibt’s auch jede Menge Leute mit Durchfall.«
    »Das ist zwar übel«, sagte Bernie, »aber doch kein Grund zur Panik, oder?«
    »Doch«, sagte Alex. »Schwester Susmita hat uns davor gewarnt. Das ist die Cholera. Extrem ansteckend.«
    »Tamade!«, sagte Bernie.
    »Du sagst es.«
    Eine Weile gingen sie schweigend nebeneinanderher. Dann sagte Alex: »Wir gehen einfach so lange am Meer entlang, bis wir jemanden mit einem Boot finden. Vielleicht braucht jemand aus seiner Familie ärztliche Hilfe und er leiht es uns dafür.«
    »Oder vielleicht kann ich irgendwas Elektrisches reparieren«, meinte Bernie.
    Sie sahen sich zweifelnd an. Dann grinste Alex plötzlich. »Oder eine Meerjungfrau steigt plötzlich aus dem Wasser und offenbart uns, dass wir drei Wünsche frei haben«, sagte er. »Ist vermutlich genauso wahrscheinlich.«
    Bernie begann zu kichern und konnte nicht mehr aufhören, bis er Alex ebenfalls angesteckt hatte. Sie steigerten sich in einen hysterischen Lachanfall hinein, während sie durch die Straßen von Calais gingen und alle paar Meter sagte einer von ihnen: »Meerjungfrau!« oder »Ich wünsch mir als Erstes … eine Dusche!« oder »Hoffentlich spricht die nicht nur Ozeanisch!«, und dann schütteten sie sich aus vor Lachen.
    Auf ihrem Weg trafen sie fast niemanden, weil Calais sich – wie jede Stadt ohne Wasser – in eine stinkende, nur noch von Ratten bevölkerte Geisterstadt voller verbrannter Ruinen verwandelt hatte. Menschen konnten hier nicht mehr leben, aber die Ratten fanden trotzdem etwas zu fressen. Alex wollte lieber nicht wissen, was.
    Am gespenstischsten aber war, dass die Menschen die Stadt zwar verlassen hatten, die meisten ihrer Besitztümer aber immer noch da waren. Außer Wasser, Essensvorräten, Schmuck und Akkus konnte man hier nahezu alles finden: Die Häuser, die nicht verbrannt waren, waren voller Möbel, Kleidung, elektronischer Geräte, Bilder, Spielzeug … Viele Zimmer sahen aus, als wären ihre Bewohner nur kurz weggegangen. Aber es war unwahrscheinlich, dass irgendjemand so bald zurückkehrte.
    Alex und Bernie schauten sich nur in Häusern um, aus denen ihnen kein allzu schlimmer Gestank entgegenkam. Es wurde abends inzwischen schon empfindlich kalt, darum suchten sie so lange, bis jeder von ihnen passende warme Kleidung und einen leichten Schlafsack mit Nanobeschichtung hatte.
    Danach beeilten sie sich, so schnell wie möglich aus der Geisterstadt herauszukommen. Aber es dauerte Stunden, weil sie zwischen den Ruinen und Trümmern nur langsam vorankamen. Als sie endlich freies Gelände erreichten, kam es Alex vor, als hätte er die ganze Zeit über die Schultern hochgezogen und die Augen auf den Boden gerichtet gehabt.
    »Lass uns noch ein Stück weitergehen, bis ans Meer«, schlug Bernie müde vor. »Wenn ich schon mit leerem Magen schlafen muss, dann möchte ich wenigstens vorher mal wieder baden.«
    Als sie den Strand erreichten, war es dunkel und schon zu kalt zum Baden. Sie kamen sich vor, als wären sie auf einem menschenleeren, aber ziemlich windigen fremden Planeten gelandet. Soweit sie das im Licht des Mondes erkennen konnten, gab es hier nichts: keine Häuser, keine Boote und keine Menschen. Ein paar verfallene Hütten waren da, die eine kräftige Brise jederzeit umwerfen konnte. Ansonsten deuteten nur der angeschwemmte Abfall und die Kothaufen im Sand darauf hin, dass auf diesem Planeten irgendwo Menschen lebten.
    Bernie und Alex legten sich hinter einer Mauer, wo es windstill war, unter dem Roachy zum Schlafen hin. Sie krochen in ihre neuen Schlafsäcke und deckten den Roachy mit der Tarnplane ab.
    »Morgen finden wir ein Boot«, sagte Bernie schläfrig. »Wirst schon sehen.«
    »Klar, Mann«, sagte Alex und umklammerte Celies Kette.
    Heute Nacht gehörte sie noch ihm.

Kapitel 10
    Aus

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