Als Erzieherin gelassen und erfolgreich
uneheliche Kinder.
Tabus und innere Konflikte
Tabus bringen sehr viele Menschen in innere Konflikte, denn es steht letzten Endes ihre Zugehörigkeit zu einer Gruppe, Familie oder Gesellschaft auf dem Spiel. So ein Tabu ist eine Art Alleinstellungsmerkmal: Man glaubt von sich, man hätte als Einzige diese Gedanken, Gefühle, Ideen, niemand sonst - eben weil es tabuisiert wird und jeder so tut, als würde es »das« nicht geben.
Wer mit einem Tabu lebt, fühlt sich schmerzvoll anders als seine Umwelt und hofft daher, es vor seinen Mitmenschen geheim halten zu können. Oder dass »es« endlich »weggeht« oder »aufhört«. Aber auch andere, die mitbeteiligt sind, fühlen Konflikte. Einerseits wird über etwas Bestimmtes nicht gesprochen, andererseits ist es aber da, steht mehr oder minder unterschwellig im Raum.
Ein Tabu zu brechen heißt, gegen (unausgesprochene) Regeln und Moralvorstellungen zu verstoßen, was meist Selbstabwertungen nach sich zieht. Entsprechend schwer kann es sein, ein Tabu offen zu legen, zumal man vorher nicht sicher weiß, wie der oder die anderen reagieren.
»Ich bin schwul«, sagte mein Cousin zu mir. »Gott sei Dank ist es raus,« atmete ich damals auf, denn ich ahnte es bereits seit vielen Jahren. »Endlich kann ich normal mit dir reden.« Es galt damals, und so ist es auch heute noch, als tabu, einen Mann neugierig zu fragen: »Bist du schwul?« Dieses Thema sollte vom Betroffenen angesprochen werden, denken viele. Irgendwann wird Schwulsein hoffentlich so natürlich behandelt werden, dass man sich genauso locker danach erkundigen kann, wie wir heute fragen: »Bist du Single oder liiert?« Single sein ist heute nicht mehr besetzt. Vor wenigen Jahrzehnten war es noch ein Makel und entsprechend ein Tabu, danach zu fragen.
Glücklicherweise fallen die Reaktionen bei vielen »brenzligen« Situationen oftmals viel positiver aus als erwartet, denn die meisten von uns erleben und fühlen Unerwünschtes und Ungereimtheiten im Leben, es wird meist nur nicht darüber geredet. Dann ist es raus
und alles gar nicht so schlimm. Häufig genügt allein das Sprechen darüber, dass ein Tabu seine bedrohliche Macht verliert.
Mit diesem Kapitel möchte ich Sie anregen, über Tabus zu nachzudenken und zu sprechen - mit Ihrem Partner, Ihrer Freundin und mit Ihren Kolleginnen. Sie können Tabus auch als Ausgangspunkt für Brainstormings benutzen, im Sinne von: Wie könnten wir oder eine von uns reagieren, wenn etwas in dieser Art geschieht? Ohne, dass Sie sich selbst offenbaren müssen, können Sie von den Anregungen Ihrer Kolleginnen profitieren, und Hilfe wird möglich.
Tabu: Sie können ein Kind Ihrer Gruppe nicht leiden
Ich kann mich noch gut an meine Zeit als Leiterin einer Familiengruppe erinnern. Es waren mehrere Kinder unterschiedlichen Alters und natürlich mit unterschiedlichen Geschichten. Ein Mädchen war mir von Anfang an unsympathisch und dieses Gefühl hat sich fast bis zum Ende meiner Tätigkeit nicht gelegt. Eigentlich ist mir heute noch unwohl, wenn ich an sie denke. Ich bin froh, dass ich mit ihr nichts mehr zu tun habe, und das zeigt mir, dass unsere Beziehung unverarbeitet geblieben ist. Damals, das muss ich hinzufügen, gab es bei uns noch keine Supervision oder Teamgespräche mit Psychologen. Wir erzogen so »vor uns hin«, waren engagiert, aber jung und hatten recht wenig Lebens- und Arbeitserfahrung. Für das Mädchen und mich waren es die denkbar schlechtesten Voraussetzungen für eine gute Beziehungsgestaltung.
Ich habe meine Abneigung gegen das Mädchen damals verheimlicht. Meine Gefühle passten nicht zu den ethischen Grundpfeilern, die ich hinsichtlich meines Berufes hatte. Ich wollte eine gute Erzieherin sein und alle Kinder gleichermaßen lieben. Aber ich tat es nicht und fühlte mich deswegen unfähig und schlecht. Je länger ich dieses Gefühl mit mir herumtrug, desto schlechter ging es mir. Niemandem
wurde dadurch geholfen. Weder mir noch dem Mädchen noch dem Team.
Wenn Sie ein Kind nicht mögen, dann wird es Gründe dafür geben. In meinem Fall war es komplette Überforderung. Ich war der Verhaltensauffälligkeit des Mädchens nicht gewachsen, sie provozierte mich und ich reagierte mit Abscheu und Wut. Betrachten wir nun mein damaliges Verhalten mit dem Abstand von vielen Jahren, könnten wir erkennen, dass ich Hilfe brauchte. Ich war einer pädagogischen Situation ganz klar nicht gewachsen und reagierte zwar menschlich, aber nicht mehr auf der Metaebene.
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