Als es Nacht war in Dresden: Roman (Frauenromane) (German Edition)
eine Mütze von Opa, damit der Verband nicht auffiel. Sie war dann doch sehr aufgeregt.
Als der Fremde sich bedankt hatte, sagte er noch zu Großmutter:
»Ihr Mann gab mir den Auftrag, wenn es mir möglich sei, soll ich Ihnen ausrichten, dass es ihm gut geht und er bald nach Hause kommt. Auf dem Weg hierher wurde ich zusammengeschlagen.« Großmutter weinte. Ich habe sie nie so weinen sehen, sie fand kaum die Worte, um diesem späten Gast zu danken. Aber es war auch keine Zeit zu versäumen. Als Oma sich davon überzeugt hatte, dass die Luft, wie sie sagte, rein war, ließ sie ihn wieder aus dem Haus. Was mit Opa damals war und wer dieser Bote war, habe ich nie erfahren. Großmutter nahm mich nach dem Weggang des Fremden in den Arm und streichelte mich mit den Worten:
»Hoffentlich musst du nicht allzu oft solche Angst ausstehen. Aber ich muss dir jetzt ein großes Versprechen abnehmen. Erzähle niemandem von diesem Vorfall. Weißt du, man bringt mich sonst ins Gefängnis.« Ich versprach es hoch und heilig und hielt dieses Versprechen bis nach ihrem Tod. Ihre Sorge, es könnten mir noch mehr solche Aufregungen Angst machen, hat sich während des Krieges bestätigt. Sie sagte zu mir auch immer wieder: »Du hattest mal wieder einen Schutzengel bei dir. Ich bete darum, dass er dich ein Leben lang begleiten möge.« Dies sollte sich in vielen, oft fast aussichtslosen Situationen bestätigen, wenn sie sich auch erst Jahre später ereignen sollten.
Auch Wohnungen waren in diesen Jahren knapp, besonders bezahlbare. Es gab jedoch in manchen Fällen Hilfe bei der Beschaffung. So wurde in unserem Städtchen Baugelände günstig an Großfamilien vergeben und dazu günstige Kredite. Jedoch wurde die Bauweise vorgegeben, alle Häuser waren gleich. Im hinteren Teil des Bauabschnitts wurden zwölf Doppelhäuser gebaut für Familien mit mindestens fünf Kindern. Im vorderen Teil entstanden zwölf Doppelhäuser für Familien mit weniger Kindern, diese hatten aber dafür ein Zimmer weniger. Im vorderen Abschnitt bekamen drei Familien mit einer Sondergenehmigung die Möglichkeit, eine Haushälfte zu bauen und zu erwerben. Großvater, der inzwischen pensioniert war, hatte wohl auch bei der Stadt einen Fürsprecher, der ihm zu einer solchen Sondergenehmigung verhalf. Drei meiner Tanten, Miriam, Hilda und Nina, waren in festen Beziehungen. Tante Hilda, meine besondere Gönnerin, war schon verheiratet, Nina und Miriams Hochzeiten waren bereits geplant. Die drei Männer, Hans, Stephan und Roland, besaßen Motorräder und waren, wie es damals hieß, bei der motorisierten SA. Es kann auch gut sein, dass meine Großeltern dadurch zu den Begünstigten gehörten, die bauen konnten. Onkel Hans, Tante Hildas Mann, war nicht so ein überzeugtes SA-Mitglied. Er hatte einen Beiwagen an seinem Motorrad. Tante Hilda machte den Führerschein und fuhr oft mit mir durch unser Städtchen oder an den Bergsee, der etwa 15 km weit entfernt war, zum Baden.
Das war dann immer ein Staunen, wenn wir unterwegs waren, besonders dann, wenn festgestellt wurde, dass der Fahrer eine junge Frau war. Es machte unheimlich viel Spaß. Tante Miriams Mann war Schneidermeister und ein hundertprozentiger SA-Anhänger, was auf Miriam abgefärbt hatte. Sie versuchte, nachdem sie bei Opa keinen Erfolg gehabt hatte, mir das Buch ›Mein Kampf‹ verständlich zu machen. Und war fest davon überzeugt, dass es uns allen bald besser gehen würde. ›Mein Kampf‹ war ihre Heilige Schrift.
Onkel Stephan, Ninas Mann, der Dritte im Bunde, war sehr verschwiegen, äußerte sich zu dem Geschehen nie, aber er war immer dabei, Großvater beim Ausschachten des Kellers oder bei anderen Arbeiten zu helfen. Es gab Vorgaben, was an Eigenleistung beim Hausbau erbracht werden musste. Im Sommer 1935 waren die Siedlungshäuser beziehbar. Es gab eine riesige Einweihungsfeier mit der SA, der Hitlerjugend und Prominenten, mit langen Ansprachen und einem dreifachen Hoch auf den Führer. Die Anlage wurde Adolf- Hitler-Siedlung getauft. Großvater war wohl von allem nicht sehr begeistert, schwieg aber und flüchtete sich lieber in die Arbeit. Es gab immer noch genug zu tun, es war ein großer Garten anzulegen, nicht vergessen werden durfte ein kleines Gartenhaus mit wild wachsenden Rosen. Auf all den Grundstücken war ein kleiner Stall vorgesehen für Kleintierhaltung. Großmutter züchtete weiter ihre Kaninchen. Diese hatten wunderschönes Fell, aber essen konnten wir alle nichts davon. Oma ging
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