Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Als es Nacht war in Dresden: Roman (Frauenromane) (German Edition)

Als es Nacht war in Dresden: Roman (Frauenromane) (German Edition)

Titel: Als es Nacht war in Dresden: Roman (Frauenromane) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edith Siemon
Vom Netzwerk:
es um die schönen Felle. Die Hauptsache aber war die Freude an den Tieren. Mein roter Kater war inzwischen gestorben, was für mich ein sehr schmerzliches Erlebnis war. Aber Großmutter brachte eines Tages eine kleine weiße Angorakatze mit nach Hause. Sie hatte ganz blaue Augen, war ziemlich unnahbar und ließ sich auch nicht so ohne Weiteres auf den Arm nehmen, aber wenn sie wollte, war sie ein toller Spielkamerad. Ich nannte sie Muschi.

    Zur Schule hatten wir Kinder es nicht weit. Nur war die Straße noch nicht befestigt, was auch noch länger dauern sollte. Wenn es geregnet hatte, war sie aufgeweicht. Wir mussten uns daher bei schlechtem Wetter ein Paar Ersatzschuhe mitnehmen. Diese hingen bei mir am Schulterriemen an der Seite, die Gummistiefel wurden an der Garderobe vor dem Klassenzimmer ausgezogen und gegen die sauberen Schuhe ausgetauscht.
    In der Nähe der Siedlung wurde auch ein großer Sportplatz angelegt mit Terrassentreppen; er war gedacht für sportliche Aktivitäten der SA: Fußball, Speerwerfen, Hochsprung, Kugelstoßen. Die Hitlerjugend übte Wettkämpfe und bereitete sich so für das Sportcamp vor. Aber es war ein langer Fußmarsch, um in das Städtchen zu kommen. Fahrgelegenheiten gab es nicht, es sei denn, man nahm das Fahrrad. Für Großmutter war es also nicht möglich, die Einkäufe für die große Familie zu tätigen. Das Tragen der Taschen war zu schwer für sie. So fuhr eben Tante Miriam, mit einem großen Korb versehen, mit dem Fahrrad in den Ort. Großvater besorgte oft samstags den Braten für Sonntag. Für diesen Einkauf bekam er von Tante Hilda ein Einkaufsnetz gehäkelt, auf das er sehr stolz war. So geschah es an einem heißen Samstag im August; wenn ich heute daran denke, muss ich immer schmunzeln und stelle mir das bildlich genau vor.
    Onkel Stephan war damit beschäftigt, ein Zimmer zu tapezieren. Die Hochzeit mit Tante Nina sollte im kommenden Monat stattfinden, sie wollten vorübergehend bei den Großeltern wohnen, bis ihre eigene Wohnung beziehbar war. Großmutters Anspannung war zu spüren, als einer der neuen Nachbarn zu uns kam und lächelnd fragte:
    »Ach, Frau Roth, warten Sie nicht auf Ihren Mann? Der liegt auf der Terrassentreppe auf dem Sportplatz und schläft, eine Katze war auch bei ihm und hat etwas gefressen.« Onkel Stephan ging mit Tante Miriam los und sie holten Opa nach Hause. Der erzählte uns freudestrahlend, dass er einen Schulkameraden nach vielen, vielen Jahren getroffen habe und dieser habe ihn zu einem Glas Wein eingeladen. Auf dem Heimweg aber wurde er furchtbar müde und wollte nur etwas ausruhen, dabei sei er vermutlich eingeschlafen. Viel Fleisch hatte er nicht mehr in seinem Einkaufsnetz. Die Katze hatte es wohl ziemlich leicht, mit ihren Krallen stückweise das Fleisch aus dem Netz zu angeln. Das aber wurde Großvater erst am Sonntag bewusst, denn es gab keinen Sonntagsbraten. Aber Großvater dachte sicher, das sei ein kleiner Racheakt von Großmutter, weil er verspätet nach Hause gekommen war.
    Der Tag rückte nun immer näher, an dem die Hochzeit stattfinden sollte. Nicht kirchlich, so wie Großmutter es sich gewünscht hatte, nur standesamtlich mit Trauzeugen in SA -Uniform. Wie das Paar zum Standesamt gefahren wurde, weiß ich nicht, aber als sie zurückkamen, warteten Oma, Opa und ich an der Haustüre auf das Brautpaar. Tante Wilhelmine und Cousine Lotti waren auch schon anwesend, als der Motorradsturm angefahren kam. Das frischgebackene Ehepaar entstieg einem Auto, das von unserem Hausarzt gesteuert wurde. Dieser betreute schon seit Jahren die Familie. Er wurde ein überzeugter SA-ler. So stand nun die SA Spalier vom Gartentor bis zur Haustüre, die rechte Hand an ihren Mützen. Das Brautpaar wurde von zwei Uniformierten zur Haustüre begleitet. Es gab für alle einen Umtrunk, ein bisschen Plauderei und viele gute Wünsche, dann war der Spuk zu Ende. Meine Großeltern litten sehr, sie konnten es kaum verbergen. Die folgende kleine Feier im Familienkreis verlief deshalb mit viel Schweigen, aber auch zahlreichen Ratschlägen von Seiten der Schwestern. Meine Mutter war nicht anwesend, auch Tante Ines nicht. Aber Tante Hilda und Miriam waren zumindest mit den Gebräuchen etwas vertraut. Miriams Hochzeit sollte folgen, sobald das frisch vermählte Paar wieder bei den Großeltern auszog. Seit der Onkel mit in der Familie lebte, hatte sich vieles geändert. Mir war so, als gehörte ich plötzlich nicht mehr dazu. In der Zwischenzeit war meine

Weitere Kostenlose Bücher