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Als gaebe es kein Gestern

Als gaebe es kein Gestern

Titel: Als gaebe es kein Gestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kirsten Winkelmann
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leise.
    Arvin seufzte tief, ging ein paar Schritte auf die Wand zu und lehnte sich mit dem Rücken dagegen. Dann sah er Livia zum ersten Mal wieder an. „Glaub mir, ich hab mal kurz darüber nachgedacht. Aber ich hatte schon so viel verloren. Ich konnte es mir nicht leisten, auch noch meinen Glauben über Bord zu werfen.“
    „Er bedeutet dir sehr viel.“ Es war eine Feststellung.
    Arvin senkte den Kopf. „Er ist das Einzige, was mich noch am Leben erhält.“
    Livia schluckte. Die Anklage hätte nicht deutlicher ausfallen können. „Ich weiß nicht, was ich sagen soll, Arvin. Ich erinnere mich nicht an das, was früher war. Wirklich nicht. Aber wenn du mir eine zweite Chance geben würdest … Jeder verdient doch eine zweite Chance.“ Ihr Blick wurde flehend. „Ich würde alles tun, um dir zu beweisen …“
    Schon bevor er sprach, konnte Livia sehen, dass ihre Bitte nicht erhört werden würde. Arvin hatte sich gefangen, er wirkte schon wieder fast so kalt und unnahbar wie sonst. „Das Problem ist, dass du bereits zwei Chancen hattest, Livia. Oder waren es drei? Zehn? Hundert?“ Und dann schüttelte er entschieden den Kopf. „Ich hab dir mein Haus gegeben, Livia. Das bisschen, was von meinem Herzen noch übrig ist, werd ich lieber behalten.“

Kapitel 25
    Dann eben nicht, schäumte Livia auf dem Nachhauseweg. Sie war zu Fuß unterwegs und hatte ein Tempo drauf, mit dem sie so manchen Geher in den Schatten gestellt hätte. Blanke Wut trieb sie an und verschaffte ihr einen Tunnelblick. Sie sah nur den gepflasterten Weg zu ihren Füßen, nichts weiter – weder die Leute, die ihr entgegenkamen, noch die Autos, die in regelmäßigen Abständen links an ihr vorbeifuhren. Die Polizeistation war nur etwa eine halbe Stunde Fußweg von Arvins – pardon, von ihrem Haus – entfernt. Aber wenn sie so weitermachte, würde sie die Strecke in einer Viertelstunde schaffen. Das Problem war nur … dass sie keine Ahnung hatte, was sie zu Hause überhaupt sollte. Niemand wartete dort auf sie. Niemand würde jemals warten !
    Sie versank in einem erneuten Anfall von Depressionen und konnte nicht verhindern, dass der Schmerz des Erlebten erneut zu ihr zurückkehrte.
    Der Besuch im Polizeirevier fühlte sich an wie eine einzige Demütigung. Sie konnte sich nicht erinnern, jemals so gebettelt zu haben wie heute, sich jemals so klein gemacht zu haben. Jemals so zurückgewiesen worden zu sein .
    Aber damit war nun Schluss. Was auch immer sie getan hatte, verdiente eine solche Behandlung nicht. Selbst wenn sie tatsächlich fremdgegangen war … Es war doch kein Wunder, dass sie das getan hatte … bei diesem Mann … bei dieser Hartherzigkeit!
    „Das war’s, Arvin, und zwar für immer!“, sagte sie laut und zog dadurch ein paar verwunderte Blicke auf sich. Aber ihr Tempo blieb das gleiche. „Ich brauch dich sowieso nicht“, schniefte sie, stellte aber gleichzeitig fest, dass die gräulichen Betonsteine zu ihren Füßen ihre Umrisse verloren und hinter einem Nebel vorwitziger Tränen verschwanden. „Ich könnte zehn Männer haben, wenn ich nur wollte!“ Sie dachte an Enno und seine Worte bei ihrem letzten Besuch. Wann immer du kommst, Livia, ich werde hier sein und auf dich warten.
    War das die Lösung ihrer Probleme? War Enno die Lösung?
    ❧
    Als sie das Mehrfamilienhaus erreichte, in dem Enno wohnte, war Livia hochrot und total verschwitzt. Trotzdem zögerte sie nicht eine einzige Sekunde, sondern folgte dem schmalen gepflasterten Weg bis zur Haustür und drückte auf die Klingel.
    „Du musst jetzt da sein“, murmelte sie unruhig. „Du musst.“
    Jetzt, wo sie sich nicht mehr bewegte, transpirierte sie aus allen Poren.
    „Ja?“
    Livia spürte, wie sie gleichzeitig aufatmete und Herzrasen bekam. „Ich bin’s“, sagte sie vorsichtig.
    Stille.
    Livia schluckte. „Ich weiß, dass du es nicht gern hast, wenn ich unangekündigt vorbeikomme“, begann sie. „Es ist nur –“
    „Komm rauf“, sagte Enno.
    Das Surren des Türöffners bestätigte Livia, dass er es tatsächlich ernst meinte. Sie stieß die Tür auf, betrat den Hausflur und erklomm ein wenig zögerlich die Treppenstufen. Irgendwie war sie sich immer noch nicht ganz sicher, dass Enno sie positiv empfangen würde. Seit ihrem letzten Besuch hatte sie sich noch kein einziges Mal bei ihm gemeldet.
    Als Livia bald darauf das zweite Stockwerk erreichte, schienen sich ihre Befürchtungen zu bewahrheiten. Enno wartete bereits auf sie. Er lehnte lässig im

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