Als gaebe es kein Gestern
Türrahmen und hatte die Arme vor der Brust verschränkt. Sein Gesichtsausdruck spiegelte eher Abwehr als freudige Erwartung wider. Während Livia näher kam, musterte er sie von oben bis unten und stellte dann fest: „Du siehst total fertig aus. Bist du hierhergejoggt, oder was?“
Livia blieb stehen. „So ähnlich“, presste sie hervor.
„Und sonst?“, erkundigte sich Enno. „Bist du wieder hier, um dir bestätigen zu lassen, dass du ein toller Mensch bist?“
Livia schluckte. Auf diese Frage gab es nur zwei mögliche Reaktionen. Die eine war, auf dem Absatz kehrtzumachen und wieder nach Hause zu gehen. Und die andere … „Willst du mich noch haben?“, fragte sie heiser.
Enno merkte auf. „Ernsthafte Frage?“
Livia nickte. „Du hattest recht“, sagte sie bitter. „Arvin ist die Mühe nicht wert.“
Enno begann zu strahlen. „Ehrlich?“
„Ehrlich“, sagte Livia, fand aber, dass sie sich entschlossener anhörte, als sie es tatsächlich war. Arvin war die Mühe nicht wert. Die Frage war bloß, ob Enno sie wert war …
„Na, dann komm mal rein“, grinste Enno und trat zur Seite. „Willst du ’n Kaffee oder lieber was Kaltes?“
„Lieber was Kaltes.“
Enno ging voran, betrat mit Livia im Schlepptau das Wohnzimmer und stürzte erst einmal aufs Sofa zu. „Ich bin leider überhaupt nicht auf Besuch vorbereitet.“ Mit diesen Worten entfernte er ein paar Zeitschriften und Kleidungsstücke von der knallroten Sitzfläche und warf sie kurzerhand neben dem Sofa auf den Fußboden. „Setz dich doch! Ich hol nur noch schnell was zu trinken.“ Sprach’s und stürmte schon wieder zur Tür hinaus.
Als er den Raum verlassen hatte, atmete Livia erst einmal ganz tief durch. Warum war sie nur so schrecklich nervös? Sie konnte doch froh sein, dass Ennos Angebot noch Gültigkeit besaß. Oder hatte sie einfach Angst vor ihrer eigenen Courage?
Sie sah sich um und suchte instinktiv nach dem Ordner mit der Aufschrift „Angelika“. Sie hatte den Namen nicht vergessen und auch immer noch das Gefühl, als käme er ihr bekannt vor. Aber weshalb?
Als Enno wenig später mit einem Tablett ins Wohnzimmer zurückkehrte, stand Livia immer noch bewegungslos neben dem Sofa.
„Warum setzt du dich nicht?“
Livia nahm Platz.
„Wasser oder lieber Apfelschorle?“
„Wasser.“
Livia nahm das Getränk entgegen und stürzte es in einem Zug hinunter. Anschließend ließ sie sich ein zweites Glas einschenken und trank auch das leer. „Danke“, seufzte sie. „Das war wirklich lebensnotwendig.“
Enno schenkte erneut nach und ließ sich dann direkt neben Livia auf dem Sofa nieder. „Jetzt erzähl mal.“
Livia schluckte und fand es irgendwie beängstigend, dass Enno so dicht neben ihr saß. Sein rechter Arm berührte ihren linken und rief dabei ein Kribbeln hervor, das sich über ihren gesamten Körper auszubreiten schien. „Das Haus“, begann sie stockend. „Arvins Haus. Es gehört in Wirklichkeit mir.“
Enno nickte. Er schien nicht übermäßig überrascht zu sein.
„Hast du eine Ahnung, was das bedeutet? Arvin hat mich nur bei sich einziehen lassen, weil er musste. Er hatte nie vor, unsere Ehe zu retten. Niemals, zu keinem Zeitpunkt!“
„Du hast ziemlich lange gebraucht, um das herauszufinden“, erwiderte Enno mitleidig.
Livia sah ihn an. Ihr Gesicht spiegelte immer noch den Schmerz wider, den diese Erkenntnis bei ihr hervorgerufen hatte. „Aber woher wusstest du es?“
„Ich bin sein Freund, schon vergessen?“
Livia erschrak. „Er hat es dir erzählt? Warum hast du nichts davon gesagt?“
„Hab ich doch!“
Livia sackte in sich zusammen. „Anscheinend wollte ich es nicht wahrhaben“, jammerte sie. „Ich hab bis zuletzt geglaubt, es gäbe noch eine Chance.“
„Und jetzt nicht mehr?“
Livia schüttelte traurig den Kopf. „Nein“, seufzte sie mit zitternder Stimme, „jetzt nicht mehr.“
„Was bedeutet das?“, fragte Enno. „Was bedeutet das für uns?“
Livia schluckte und streifte Enno mit einem denkbar kurzen Blick. „Ich … weiß nicht“, stotterte sie. „Vielleicht … vielleicht könnten wir noch mal von vorn anfangen …“
„Von vorn anfangen?“, wiederholte Enno. „Wie stellst du dir das vor? Oder anders ausgedrückt: Wo stellst du dir das vor?“
„Wo?“
„Ja, wo! Du wohnst noch mit Arvin zusammen, Livia. Soll das etwa so bleiben?“
„Nein, natürlich nicht!“, brach es aus Livia hervor. „Das … das könnte ich gar nicht!“
„Also ziehst
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