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Als gaebe es kein Gestern

Als gaebe es kein Gestern

Titel: Als gaebe es kein Gestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kirsten Winkelmann
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nicht? Es ist ein wichtiges Beweismittel.“
    „Wenn es so wichtig ist, hättest du es mir auch schon früher geben können!“, hörte sich Livia sagen. Anschließend staunte sie selbst über ihre Worte. Ihr war gar nicht bewusst gewesen, dass sie Karen wegen dieser Sache noch böse war.
    Einen Moment lang schwieg Karen. Dann sagte sie: „Es tut mir leid, okay? Anfangs hab ich der Schere keine Bedeutung beigemessen und dann … nach der Sache mit dem Autounfall … hatte ich zu lange geschwiegen …“
    Livia presste ärgerlich die Lippen aufeinander, sah Karen aber nicht an. „Wenn du der Schere keine Bedeutung beigemessen hättest, dann hättest du sie auch nicht aufbewahrt. Jedenfalls nicht in einem Plastiktütchen.“
    Karen schwieg erneut. Lange, sehr lange Zeit antwortete sie nicht. Als sich Livia schließlich zu ihr umblickte, stellte sie fest, dass Karen weinte. Ein paar dicke Tränen liefen ihre Wangen hinunter.
    Livia seufzte tief. „Jetzt hör schon auf. Ich weiß ja, dass du es nicht böse gemeint hast. Du sitzt halt zwischen den Stühlen.“
    „Tu ich das?“, schluchzte Karen. „Oder bilde ich mir das nur ein?“ Sie ergriff das Taschentuch, das Livia ihr reichte, und wischte ihre Tränen ab. „Ich weiß nicht mehr, was ich denken soll, Livia. Ich verdächtige meinen eigenen Bruder. Dabei liebe ich ihn! Ich liebe ihn von ganzem Herzen!“
    „Das weiß ich doch! Und er weiß es auch!“
    „Aber ich hab ihm einen Mord zugetraut. Passt das denn zusammen? Passen Liebe und Misstrauen zusammen?“
    Livia seufzte tief und dachte an ihre eigene Situation. Im Grunde ging es ihr genauso wie Karen. Sie liebte und misstraute Arvin. Manchmal liebte sie ihn und manchmal misstraute sie ihm. Heute kam das eine stärker durch und morgen das andere …
    „Ich halt das nicht mehr aus“, jammerte Karen. „Ich muss wissen, was Sache ist. Und darum will ich, dass du diese Schere der Polizei übergibst. Ich will Gewissheit haben!“
    Livia sah Karen eine Weile nachdenklich an. Im Grunde deckte sich Karens Wunsch mit ihrem eigenen. Sie wollte ebenfalls Gewissheit haben. Warum hatte sie dann gezögert? Warum hatte sie die Schere in ihren Nachttisch gelegt und dort „vergessen“? Schließlich fragte sie leise: „Und wenn nicht das herauskommt, was du dir wünschst? Wenn es doch sein Blut ist … was soll dann aus ihm werden?“
    Karen schluckte schwer. „Ich hab bestimmt eine Million Mal darüber nachgedacht …“ Sie vergrub ihre Stirn in ihren Händen. „Wenn er es war, wenn er es wirklich war, dann gibt es nur eine einzige Erklärung dafür …“
    Livia hing quasi an Karens Lippen …
    „… nämlich dass er den Unfall und den Tod unserer Eltern nicht verkraftet hat“, vollendete Karen ihren Satz.
    Livias Augen weiteten sich. Dass Karen ihrem Bruder einen Mord zutraute, war schon der Hammer, aber dass sie ihn jetzt auch schon für geistesgestört hielt …
    „Und in diesem Fall“, fuhr Karen fort, „braucht er dringend Hilfe.“
    „Und du glaubst, dass er die bei irgendwelchen Psychofritzen kriegen könnte?“
    Karen seufzte tief. „Wir steigen viel zu tief in dieses Thema ein, Livia. Wenn wir so weitermachen, glauben wir noch, was wir uns hier zusammenreimen. In Wirklichkeit hat Arvin nichts Unrechtes getan. Er ist ein toller Mensch – ein bisschen wunderlich vielleicht, aber wirklich toll. Bring die Schere zur Polizei. Dann werden sich all unsere Zweifel in Luft auflösen.“
    ❧
    Livia tat, wie ihr geheißen, und wurde schon am nächsten Tag bei Kommissar Walther vorstellig. Sie erzählte ihm, wann und wo Karen die Schere gefunden hatte, vermied aber, Arvin ins Spiel zu bringen.
    „Hm“, machte Herr Walther, nachdem er sich die Sache hatte erklären lassen. Er saß hinter seinem Schreibtisch, war ganz tief in seinem Bürostuhl versunken und sah extrem nachdenklich aus.
    „Was ist?“, fragte Livia. „Denken Sie, ich übertreibe?“ Sie blickte auf die Schere, die samt Tütchen vor ihr auf dem Tisch lag. „Vielleicht ist es eine ganz normale Schere. Vielleicht wurde sie dazu benutzt, einen Verband zu wechseln. Vielleicht ist das Blut auf diese Weise an die Schere gelangt. Vielleicht ist es sogar mein Blut!“
    Herr Walther schüttelte den Kopf. „Unwahrscheinlich. Erstens ist es eine ganz normale Nagelschere und zweitens liegen benutzte Scheren in Krankenhäusern nicht auf dem Fußboden herum. Nein, das ist es nicht …“
    „Was ist es denn?“
    „Na ja …“ Er zögerte. „Es geht um

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