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Als gaebe es kein Gestern

Als gaebe es kein Gestern

Titel: Als gaebe es kein Gestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kirsten Winkelmann
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sie in Sicherheit zu wiegen?
    Solche und ähnliche Gedanken gingen Livia durch den Kopf, während Vanessa ihre verzweifelten Bitten zusammenstammelte.
    Als Arvin dann allerdings zu beten begann, hörten diese Gedanken auf. Mit seiner dunklen, vollen Stimme bat er so inständig und so überzeugend um Karens Leben, dass sich alle Zweifel an seiner Integrität in Luft auflösten. Und mehr noch – das Gebet schuf etwas … eine Art von Offenheit … vielleicht sogar die Intimität, die Livia so lange und so schmerzlich vermisst hatte … Fest stand jedenfalls, dass Livia ihm noch Stunden hätte zuhören können.
    Und das schien allen so zu gehen, denn die Stille, die auf sein Gebet folgte, dauerte während des gesamten Abendessens an und begleitete sowohl Vanessa – die heute mit Livia in einem Zimmer schlief – als auch Livia selbst in eine erstaunlich ruhige Nacht.
    ❧
    Als Livia am nächsten Morgen erwachte, fühlte sie sich so ausgeschlafen und so wohl, dass sie sich erst eine Zeit lang genüsslich rekelte, bevor ihr Blick auf Vanessa fiel. Aber dann war die Realität schlagartig wieder da und sie schnellte in die Höhe.
    Karen … das Krankenhaus … das Personal hatte nicht angerufen. Ob das ein gutes Zeichen war?
    Neben ihr begann Spike leise zu winseln, doch konnte Livia ihn gerade noch rechtzeitig zum Schweigen bringen. Sie schlüpfte eilig aus dem Bett, zog sich geräuschlos an und stürmte mit Spike im Schlepptau in die Küche. Aber da war niemand. Ein Blick auf die Einfahrt und den dort abgestellten Wagen verriet ihr, dass Arvin noch im Haus war.
    Sie steuerte auf das Wohnzimmer zu, klopfte und trat ein. Arvin stand am Fenster und starrte nach draußen. Er war unrasiert. „Haben sie angerufen?“, fragte Livia atemlos. Sie wären am gestrigen Abend nicht nach Hause zurückgekehrt, wenn man ihnen nicht versichert hätte, sofort anzurufen, falls sich Karens Zustand wieder verschlechtern würde.
    Arvin rührte sich nicht. Erst als Spike auf ihn zustürmte, reagierte er. Ein wenig müde beugte er sich zu ihm hinunter und begrüßte ihn mit ein paar Streicheleinheiten.
    Livia gönnte Spike die Zuwendung von Herzen. Trotzdem versetzte ihr die Geste einen eifersüchtigen Stich direkt ins Herz. „Haben sie angerufen?“, fragte sie noch einmal.
    Arvin richtete sich wieder auf und schüttelte den Kopf. „Ich hab angerufen“, entgegnete er.
    „Und?“ Es war eine Frage, die einem Flehen gleichkam.
    „Es geht ihr besser.“
    Livia ließ einen Haufen angestauter Luft entweichen. „Wie viel besser?“
    „Eigentlich sehr viel besser“, antwortete Arvin lahm. „Ihr Puls ist jedenfalls stabil.“
    Livia runzelte die Stirn. „Wieso klingt das aus deinem Mund wie ein Problem?“
    Arvin schwieg und starrte schon wieder aus dem Fenster. Aber es war kein gleichgültiges Starren, das war deutlich zu erkennen. Im Gegenteil. Seine angespannte Haltung und sein mahlender Unterkiefer erweckten den Eindruck, als ringe er um Fassung.
    Livia wartete ab.
    „Sie haben ein paar Untersuchungen gemacht.“ Arvins Stimme klang gepresst.
    Livia musste sich eine Weile in Geduld üben, bis er endlich weitersprach. Aber als er es tat, wünschte sie, er hätte es gelassen … „Sie vermuten, dass der Krebs schon gestreut hat“, brach es aus ihm hervor. „Und dass schon andere Organe befallen sind. Weißt du, was das bedeutet?“
    Livia schluckte schwer.
    „Es ist genau, wie Karen gesagt hat. Aber ich glaub …“ Arvin atmete so schwer, dass er seinen Satz kaum zu Ende bringen konnte. „Ich hab es nicht wahrhaben wollen …“
    Livia antwortete auch jetzt nicht. Sie war vollkommen überwältigt. Überwältigt von den schlimmen Nachrichten. Überwältigt aber auch von der Offenheit, mit der Arvin ihr heute begegnete. Ob es doch noch Hoffnung auf eine Versöhnung gab? Ob die Sorge um Karen in der Lage war, Arvin und sie wieder zusammenzuschweißen?
    „Ich weiß nicht, wie es weitergehen soll“, flüsterte Arvin und rieb sich verzweifelt Augen und Stirn. „Ich weiß es einfach nicht.“
    Wir könnten es gemeinsam durchstehen , dachte Livia, wagte aber nicht, es laut auszusprechen. Sie hatte furchtbare Angst, diesen kleinen Fortschritt wieder aufs Spiel zu setzen.

Kapitel 34
    „Ist das klein genug?“, fragte Vanessa.
    Livia wandte den Kopf und betrachtete die Gurkenstücke, die Vanessa gerade produzierte. Sie hatte ein Messer in der Hand, das gerade scharf genug war, um Gurken zu zerteilen, aber – hoffentlich – vor ihren

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