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Als gaebe es kein Gestern

Als gaebe es kein Gestern

Titel: Als gaebe es kein Gestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kirsten Winkelmann
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nicht ärmer, wenn ich sie verlasse. Selbst Spike wird ohne mich auskommen, wenn Du Dich um ihn kümmerst.
    Bitte sag Gunda, dass sie eine wertvolle Freundin für mich war. Bitte sag ihr auch, dass es mir leidtut.
    Ich wünsche Dir alles Gute, Arvin. Du glaubst es mir vielleicht nicht, aber es ist so.
    Leb wohl!
    Deine Livia
    Arvin starrte auf den Zettel. Sämtliche Farbe war aus seinem Gesicht, sämtliche Luft aus seinen Lungen gewichen. Was er dort las, war wie eine Anklage, die von Gott persönlich stammte. Es gab keinen Zweifel, dass er derjenige war, durch den Gott hatte reden, durch den Gott hatte lieben wollen – und dass er versagt hatte!
    „Sie kann unmöglich den Wagen genommen haben“, krächzte Gunda und lief planlos durch den Raum. „Sie hat keinen Führerschein.“
    „Niemand sonst hat Zugang zu den Autoschlüsseln“, flüsterte Arvin. Er starrte immer noch auf den Zettel, doch verschwamm die Schrift vor seinen Augen.
    „Aber sie hat nie gelernt, Auto zu fahren. Außerdem kann sie ihre rechte Hand nicht richtig benutzen!“
    „Die Beeinträchtigung ist längst nicht mehr so groß wie am Anfang“, behauptete Arvin. „Und wenn sie verzweifelt genug war …“
    „Das ist alles meine Schuld“, schluchzte Gunda und raufte sich die Haare. „Dabei wusste ich doch, dass es ihr nicht gut geht. Trotzdem hab ich sie fortgeschickt. Und das nur wegen dieser blöden Einladung!“
    „Es ist nicht Ihre Schuld“, sagte Arvin mit einer Bestimmtheit, die keinen Widerspruch duldete. „Es ist meine. Aber auch das hilft uns jetzt nicht weiter. Haben Sie einen Wagen?“
    Gunda nickte. „Manfred arbeitet samstags nicht.“
    „Dann kommen Sie. Wir müssen sie suchen.“
    ❧
    „Wohin fährt man, wenn man sich das Leben nehmen will?“, fragte Arvin verzweifelt, nachdem er bereits drei Stunden lang auf dem Beifahrersitz gesessen hatte und mit Manfred am Steuer und Gunda auf der Rückbank planlos durch die Stadt und deren Umgebung gefahren war.
    „Wohin fährt Livia , wenn sie sich das Leben nehmen will?!“, korrigierte Gunda von hinten. „Das ist hier doch die Frage!“
    Sie befanden sich auf einer der Hauptausfallstraßen der Stadt und mussten jetzt bremsen, weil vor ihnen ein Polizeiwagen rechts abbiegen wollte. Überhaupt waren sie in den drei Stunden erstaunlich vielen Polizeiwagen begegnet – ein gutes Zeichen dafür, dass auch die Polizei, die sie sofort informiert hatten, mit hohem Aufwand nach Livia suchte.
    „ Wie würde sie sich umbringen?“, fragte Arvin. „Wenn wir das klären, finden wir sie vielleicht.“
    „An eine Waffe wird sie nicht rankommen können“, überlegte Gunda. „Und an Medikamente auch nicht.“ Ihre Stimme begann zu wackeln. „Meine Güte, so furchtbare Gedanken hält ja keiner aus!“
    „Ich hab mal gelesen, dass sich Frauen meistens die Pulsadern aufschneiden“, warf Manfred ein.
    „Aber das braucht Zeit“, sagte Arvin mit gepresst klingender Stimme. „Auf jeden Fall würde das erklären, warum sie den Wagen genommen hat. Sie braucht einen Ort, an dem sie so schnell niemand findet.“
    „Ich glaub, ich sollte mal tanken“, sagte Manfred in ihre Überlegungen hinein und setzte den rechten Blinker. Fünfzig Meter weiter ragte am Straßenrand die Preistafel einer Tankstelle in die Höhe. „Wenn wir liegen bleiben, hilft das Livia auch nicht weiter.“
    „Vielleicht wollte sie uns nur Angst machen“, überlegte Gunda und schnäuzte sich. „Vielleicht ist sie einfach nur auf und davon.“
    „Sie haben den Brief doch gelesen, oder nicht?“, widersprach Arvin leise.
    Tränen schossen in Gundas Augen. Ja, sie hatte ihn gelesen. Und ja, sie wusste selbst, dass es Livia ernst war. „Aber es könnte doch sein, dass sie der Mut verlässt, wenn sie ihre Ankündigung wahr machen will. Das könnte doch sein …“, formulierte sie ihre letzte Hoffnung.
    „Sie hat viel Mut“, antwortete Arvin und dachte an alles zurück, was er mit ihr erlebt hatte. Wie oft hatte sie ihn herausgefordert …
    „Aber wenn es ihr gelingt“, jammerte Gunda. „Dann war alles umsonst. Die vielen Operationen, die monatelange Reha, alles umsonst!“
    Arvin antwortete nicht, sondern starrte nur wie hypnotisiert auf die Tanksäule, aus der Manfred gerade Benzin zapfte.
    Währenddessen hatte Gunda aufgehört, ihre Gefühle unter Kontrolle zu halten. Sie weinte einfach. „Sie hat mich … oft gefragt, warum sie den Unfall überlebt hat“, schluchzte sie. „Sie war sich niemals … sicher,

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