Als gaebe es kein Gestern
fürchterlichen Knall zum Schweigen gebracht. Livia atmete wie eine Erstickende und wartete instinktiv auf eine Explosion, die jedoch ausblieb. Stattdessen hörte sie ein sanftes, freundliches Knistern, das zu dem, was gerade geschehen war, in keinem Verhältnis zu stehen schien. Ihre Umgebung wurde in ein warmes Licht getaucht.
Minutenlang saß Livia einfach nur zitternd auf ihren Knien und rührte sich nicht. Dann durchbrach doch ein Knall die Stille. Livia sprang entsetzt auf ihre Füße und machte ein paar Schritte auf den Abgrund zu. Dort … vielleicht fünfzig Meter unter ihr … loderte das Feuer. Man konnte kaum noch erkennen, dass sich ein Pkw in seinem Zentrum befand. Nur ein paar dunkle Umrisse deuteten darauf hin.
Livia war wie hypnotisiert und konnte ihren Blick von dem grandiosen Feuerball tief unter ihr nicht abwenden. Um ein Haar wäre sie es gewesen, die dort verbrannt wäre. Nur um ein Haar.
„Danke, Gott“, flüsterte sie. „Danke.“
Kapitel 41
Als Arvin um fünf Uhr morgens durch die Notaufnahme ins Krankenhaus stürmte, traf er zuerst Herrn Walther. Er saß auf einer Bank im Flur und sprang sofort auf, als er Arvin erblickte.
„Wie geht es ihr?“, fragte Arvin atemlos. „Was ist überhaupt passiert?“
Herr Walther kam eilig auf ihn zu und streckte ihm die Hand entgegen. „Wenn wir das nur wüssten. Sie wurde von einem Autofahrer aufgegabelt und sofort hierhergebracht. Es sieht so aus, als hätte sie einen Unfall gehabt.“
Arvin schüttelte kurz die ihm dargebotene Hand. „Was für einen Unfall?“
Herr Walther zuckte die Achseln. „Keine Ahnung. Sie redet kein Wort. Nicht mal mit mir.“
„Wo ist sie?“
Herr Walther führte Arvin ein paar spärlich beleuchtete Gänge entlang, eine Treppe hinauf und durch zwei Glastüren hindurch. Unterwegs erzählte er ihm, dass Livia in den drei Stunden, die sie bereits hier im Krankenhaus zugebracht hatte, gebadet, verbunden und gründlich durchgecheckt worden war. „Irgendwie denke ich ja, dass es ein Autounfall gewesen sein muss. Als sie hierherkam, stank sie ganz extrem nach Benzin.“
„Aber sie war zu Fuß unterwegs“, wunderte sich Arvin. „Sie hatte gar kein Auto zur Verfügung.“
„Warum war sie überhaupt allein unterwegs? Wohin –“ Kommissar Walther wurde unterbrochen, weil in seiner Brusttasche ein Handy klingelte. Er blieb stehen, kramte es hervor und hielt es ans Ohr. „Walther … Ja … Na, da bin ich aber neugierig … Was? “ Das klang ziemlich entsetzt.
Arvin starrte gespannt auf den Polizeibeamten. Was war denn jetzt schon wieder?
„Wie weit ist das von dem Ort entfernt, an dem sie aufgefunden wurde? … Das könnte hinkommen! … Oh Mann! … Konnten Sie denn den Halter ermitteln? … Was? “ Herr Walther schien es nicht glauben zu können. „Ja, gut … Und rufen Sie mich an, wenn Sie mehr wissen …“ Als er aufgelegt hatte, atmete er einmal tief durch, sah sich suchend um und steuerte schnurstracks auf den nächstbesten Stuhl zu. „Nehmen Sie Platz, Herr Scholl“, sagte er ernst. „Ich glaube, Sie sollten besser sitzen, wenn Sie das hören …“
❧
Als Arvin auf die Tür zuging, die zum Aufenthaltsraum führte, bot er keinen guten Anblick. Er war leichenblass und hatte zugleich feuerrote Augen. Der unbedarfte Beobachter hätte nicht sicher sein können, ob er Besucher oder Patient war …
Er öffnete die Tür und betrat einen Raum, der nur spärlich beleuchtet, aber recht gemütlich eingerichtet war. Sofas, Tische mit Zeitschriften und eine Anrichte mit Fernseher schufen eine anheimelnde Wohnzimmeratmosphäre. Außerdem war es angenehm warm in dem Raum.
Livia hatte sich in die Ecke eines dieser Sofas gekuschelt, den Kopf auf der Seitenlehne abgelegt und die Füße auf der Sitzfläche angewinkelt. Da ihre Augen geschlossen waren, sah es im ersten Moment so aus, als ob sie schlief. Arvin betrachtete sie und wunderte sich über ihren Aufzug. Sie trug Kleidungsstücke, die er noch nie an ihr gesehen hatte und die ihr zudem ein bisschen zu groß waren. Zumindest auf den roten Rollkragenpullover traf das zu. Er reichte nicht nur über ihren Oberkörper, sondern bedeckte auch noch einen Teil ihrer Beine. Sie sah fantastisch darin aus!
Während Arvin langsam auf sie zuging, waren in seinem Gesicht sowohl Sehnsucht als auch Schmerz zu lesen.
Da Livia auch jetzt nicht auf ihn reagierte, setzte er sich vorsichtig zu ihr aufs Sofa.
Sein Gewicht versetzte das Sofa und Livia gleichermaßen in
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