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Als gaebe es kein Gestern

Als gaebe es kein Gestern

Titel: Als gaebe es kein Gestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kirsten Winkelmann
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einem eleganten Dutt hochgesteckt.
    Sie passt zum Hof , dachte Livia spontan. Jedenfalls wirkte sie genauso alt und ehrwürdig, aber auch genauso hübsch und gepflegt.
    „Wir suchen die Familie Cordes, Dieter und Inge Cordes“, rief Gunda der Frau zu.
    Livia hielt den Atem an.
    „Bringen Sie mir meine Tochter?“, rief die Frau zurück.
    Livia hatte das Gefühl, als arbeitete ihr Herz auf einmal nicht mehr.
    „Wenn sie Angelika heißt …“, rief Gunda.
    Ich kenne die Frau nicht, ich kenne die Frau nicht, ich kenne die Frau nicht , hämmerte es in Livias Gehirn. Ich kenne sie doch nicht …
    Währenddessen kam Inge Cordes unaufhaltsam auf den Wagen zu. Sie hatte ihre Augen auf das Innere des Wagens geheftet, ignorierte dabei Gunda und blieb schließlich neben der hinteren Beifahrertür stehen.
    Livia war inzwischen vollends in sich zusammengesackt und starrte ängstlich, wenn nicht gar panisch in die ihr fremden Augen.
    „Angelika?“, fragte Frau Cordes verunsichert.
    „Jetzt steig doch mal aus!“, flüsterte ihr Gunda von vorne zu.
    Aber Livia konnte nicht. Sie war wie gelähmt. Ein einziger Gedanke beherrschte ihr gesamtes Sein: Sie war wieder nicht nach Hause gekommen!
    Frau Cordes öffnete jetzt vorsichtig die Autotür und starrte Livia fragend an. „Angelika?“, flüsterte sie genauso verunsichert, wie Livia es war.
    Livia zuckte nur die Achseln.
    Dann atmete Frau Cordes einmal tief durch. „Du hast zumindest ihre Augen“, sagte sie mit fester Stimme.
    Angelikas Augen – nur ihre Augen , dachte Livia.
    „Komm doch erst mal rein“, sagte ihre Mutter mit sanfter, freundlicher Stimme. „Dann zeig ich dir alles.“ Sie streckte Livia ihre geöffnete Hand entgegen.
    Livia starrte einen Moment lang zögernd auf die fremde Hand, hob dann vorsichtig die ihre und berührte wie in Zeitlupentempo ihr eigenes Fleisch und Blut. Anders als erwartet, war dieses allerdings nicht weich und einladend, sondern rau und hart. Und dann packte es auch noch äußerst beherzt zu und zog Livia mit viel Kraft aus dem Wagen. Anschließend ließ Frau Cordes Livia allerdings sofort wieder los, räusperte sich und sagte: „Du hast mir deine Freunde noch nicht vorgestellt.“
    Livia sagte kein Wort. Sie war wie benommen von den widersprüchlichen Empfindungen, die immer noch durch ihren Körper rasten.
    „Gunda Lorenz“, sagte Gunda und streckte Frau Cordes nun ihrerseits die Hand entgegen. Dann drehte sie sich zu Manfred um, der inzwischen ebenfalls ausgestiegen war. „Und das ist mein Mann Manfred.“
    „Es ist furchtbar nett, dass Sie meine Tochter hergefahren haben“, sagte Inge Cordes. „Sie bleiben doch sicher über Nacht?“
    „Also, ehrlich gesagt, nein“, seufzte Gunda. „Mein Mann muss morgen wieder arbeiten. Wir müssen schnell wieder los.“
    „Aber zum Kaffee bleiben Sie doch …“
    „Na ja, eine kleine Stärkung könnten wir schon vertragen“, lächelte Gunda.
    „Wunderbar“, freute sich Frau Cordes. „Der Kaffee ist schon gekocht und der Tisch gedeckt. Kommen Sie!“ Sie ging zackigen Schrittes voraus und hatte bald einen ordentlichen Vorsprung zu Livia, Gunda und Manfred aufgebaut.
    „Und?“, raunte Gunda Livia zu.
    Livia starrte immer noch voller Verzweiflung in ihre Umgebung und wartete darauf, dass ihr etwas … irgendetwas … bekannt vorkam. Aber das tat es nicht! Livia schauderte, und das lag nicht nur an ihrem Gemütszustand, sondern auch an der Temperatur. Die Luft war kalt und extrem feucht. Nicht gerade einladend …
    Als sie sich dem Haus näherten, wurde eine Inschrift sichtbar, die über der Haupteingangstür in den Balken des Fachwerks eingegraben war. Ohne Fleiß von früh bis spät wird dir nichts geraten. Neid sieht nur das Rosenbeet, aber nicht den Spaten. Aber auch das erinnerte Livia an nichts. Gar nichts.
    Ihre Mutter hatte inzwischen die Haustür erreicht und hielt sie für ihren Besuch weit geöffnet. Dennoch hatte Livia Angst davor, die Schwelle zu übertreten. Sie hatte keine Ahnung, was sie drinnen erwartete! Sie ging jetzt so langsam, dass sie sogar schon von Gunda und Manfred überholt wurde. Die beiden traten ein. Jetzt blieb auch Livia nichts anderes mehr übrig, als ihnen nachzufolgen.
    Drinnen umfing sie zunächst der Eindruck von Düsternis. Da war eine große, geräumige Diele, von der ein paar Türen abgingen. Aber die Beleuchtung war mager und stammte einzig und allein von den Fenstern der Eingangstür. Es dauerte allerdings nicht lange, bis sich ihre Augen

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