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Als gaebe es kein Gestern

Als gaebe es kein Gestern

Titel: Als gaebe es kein Gestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kirsten Winkelmann
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an. „Und du bist wirklich Angelika?“
    Livia antwortete nicht gleich, sondern schien zu überlegen. Nach einer Weile zuckte sie die Achseln, seufzte und sagte: „Ich glaub schon …“
    „Du glaubst es?“
    „Der Hund scheint mich wiederzuerkennen“, antwortete Livia.
    Jan lachte auf. „Nur der Hund?“
    Livia presste hart die Lippen aufeinander. Sie blickte zu ihrem angeblichen Vater hinüber, der sich mit Manfred angeregt über Sauenhaltung unterhielt und dabei stolz mit Zahlen um sich warf. Anschließend beobachtete sie ihre Mutter dabei, wie sie mit einer Kuchenplatte und einem Milchkännchen in die Diele zurückkehrte, beides auf dem Tisch platzierte und dann noch mehrfach umstellte, bis sie mit dem Gesamteindruck endlich zufrieden war. „Ja“, krächzte Livia, „nur der Hund.“
    „Willkommen zu Haus“, grinste Jan.
    ❧
    Beim Kaffeetrinken hatte Livia keine Möglichkeit, sich mit ihrem Bruder zu unterhalten. Sie saß einfach zu weit entfernt. Dafür bekam sie mit, wie Manfred ihn ansprach – und war sofort ganz Ohr. „Und Sie?“, fragte er ihn. „Arbeiten Sie auch hier auf dem Hof mit?“
    Jan schüttelte den Kopf. „Ich studiere noch.“
    Livia hob interessiert die Augenbrauen.
    „Kann man Landwirtschaft studieren?“, wunderte sich Manfred.
    „Ich studiere Physik und Englisch auf Lehramt“, erwiderte Jan.
    „Lehramt, aha … Das klingt, als hätte es mit Landwirtschaft nicht viel gemeinsam …“
    Jan antwortete nicht.
    „Aber in den Semesterferien“, versuchte Manfred das Gespräch wieder aufzunehmen, „da arbeiten Sie bestimmt hier auf dem Hof mit …“
    „In den Semesterferien“, sagte Jan mit einem etwas pikierten Unterton, „arbeite ich in einer Vogelfutterfabrik.“
    Inge Cordes räusperte sich und sah ihre Gäste auffordernd an. „Möchte noch jemand Torte?“
    Einer nach dem anderen schüttelte ablehnend den Kopf.
    „Benötigen Sie denn keine Unterstützung?“, wandte sich Manfred nun an Dieter Cordes. „Haben Sie womöglich so viele Maschinen, dass Sie ganz allein zurechtkommen?“
    „Ich benötige sehr wohl Unterstützung“, knurrte Dieter Cordes und verschränkte ärgerlich die Arme vor der Brust. „Aber nicht nur in den Semesterferien, sondern dreihundertfünfundsechzig Tage im Jahr. Und da dieser Hof hier problemlos zwei oder noch mehr Familien ernähren kann, gibt es auch überhaupt keinen Grund, Englisch oder Physik zu studieren.“ Sein Blick verfinsterte sich zusehends. „Ausgerechnet ein Lehrer“, murmelte er verächtlich. „Als ob es nicht schon genug von diesen Besserwissern gäbe!“
    Jan trommelte inzwischen ungeduldig mit den Fingern auf der Tischdecke herum. „Du hättest mich genauso wenig unterstützt, wenn ich Maschinenbau studiert hätte oder BWL oder … oder Tibetologie“, behauptete er.
    „Weil Studieren Unsinn ist, darum“, meldete sich nun Inge zu Wort. „Unsere Familie ernährt sich seit Generationen von der Landwirtschaft. Warum willst du mit dieser Tradition brechen?“
    „Vielleicht weil ich keine Lust habe, für den Rest meines Lebens Papas Hilfsarbeiter zu sein …“
    „Dein Vater hat nun mal die meiste Erfahrung!“, ereiferte sich Inge. „Willst du mit deinen knapp dreiundzwanzig Jahren auf dem Hof den Ton angeben?“
    „Auf dem Hof nicht, aber ihr hättet mir ja mal die Verantwortung für einen kleineren Bereich übertragen können. Für die Forstwirtschaft zum Beispiel. Die paar Hektar Wald, die wir besitzen, hätte ich schon geschaukelt.“
    „Ach, so wie damals“, giftete sein Vater, „als Kyrill den halben Wald umgepustet hat und du dich um die Steuer kümmern wolltest?“
    „Du kanntest die Vorschrift auch nicht“, verteidigte sich Jan. Als er den fragenden Gesichtsausdruck der anderen sah, fügte er erklärend hinzu: „Es gab einen erhöhten Betriebsausgabenpauschbetrag wegen der Kalamitätsnutzungen, 90 % statt der 65 % aus § 51 Einkommensteuerdurchführungsverordnung. Als ich drauf kam, war schon Verjährung eingetreten.“ Er zuckte die Achseln. „Immerhin würde ich einen solchen Fehler kein zweites Mal machen!“
    Dieter hob mit bedeutungsvollem Blick die Brauen. „Allerdings nicht!“, nickte er.
    Jan atmete ein paarmal tief durch. „Es hat einfach keinen Zweck“, seufzte er schließlich. Dann sah er Livia an. „Was würdest du an meiner Stelle machen? Würdest du lieber ein saumäßiger Landwirt oder ein guter Lehrer sein?“
    „Gute Lehrer gibt es nicht“, murmelte Dieter Cordes.
    „Meine

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