Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Als gaebe es kein Gestern

Als gaebe es kein Gestern

Titel: Als gaebe es kein Gestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kirsten Winkelmann
Vom Netzwerk:
unwirsch und dachte: Ich werde es schon selbst herausfinden. Darum bin ich schließlich hier. Unter anderem jedenfalls.
    Es war so. Schon vor der heutigen Nacht war ihr klar geworden, dass es nur eine einzige Möglichkeit gab, die Wahrheit über ihre Identität und ihre Ehe herauszufinden: vor Ort, bei Arvin. Wenn sie hier gelebt hatte, war es der Ort, an dem sie am ehesten ihre Erinnerung wiederfinden konnte. Und es war der Ort, an dem die Wahrheit über ihre Ehe verborgen lag.
    Sie sah sich noch einmal um … und seufzte innerlich. Hoffentlich war nicht alles so düster, wie es die Umgebung vermuten ließ …
    ❧
    Livia saß jetzt schon seit zwei Stunden mit angewinkelten Beinen auf der Couch im Wohnzimmer und wartete. Mittlerweile ging es auf zehn Uhr abends zu. In den vergangenen Stunden war sie durchs Haus getigert, hatte alles inspiziert, aber natürlich nichts verändert. Selbst in dem Zimmer, das Karen ihr zugewiesen hatte, hatte sie sorgfältig darauf geachtet, nur ja nichts zu verstellen. Seit acht Uhr wartete sie nun mit klopfendem Herzen auf Arvins Rückkehr. Karen hatte sie schon darauf vorbereitet, dass er erst spät nach Hause kommen würde. Aber so spät?
    Sie blickte sich zum hundertsten Mal im Wohnzimmer um, lauschte dem Ticken der großen alten Standuhr und starrte auf den kalten dunklen Kamin. Dieser Raum war das Ungemütlichste, was man sich nur vorstellen konnte. Kein Wunder, wenn es zwischen ihr und Arvin deswegen Streit gegeben hatte. Welche Frau konnte es schon aushalten, wenn ihr Mann keine Veränderungen zuließ? Livia spürte ein Gefühl der Wut in sich aufkeimen. Sie konnte sich lebhaft vorstellen, was vorgefallen war. Karen hatte ihr erzählt, dass sie seit ihrer Hochzeit nicht mehr arbeiten gegangen war. Wahrscheinlich hatte sie Abende in diesem Wohnzimmer verbracht und verzweifelt auf Arvins Rückkehr gewartet. Ihr Blick verfinsterte sich. Wie gemein war das denn! Arvin arbeitete den ganzen Tag und kam nur zum Schlafen nach Hause und sie, Livia, hatte den ganzen Tag allein in dieser fürchterlichen Bude gesessen und nichts verschönern dürfen! Dabei war das Haus im jetzigen Zustand kaum zu ertragen! Die alten Möbel waren schon schlimm genug, aber die Tatsache, dass es in diesem Haus keine Grünpflanzen gab, machte ihr noch mehr zu schaffen. Keine einzige Pflanze. Überhaupt keine! Nicht einmal hier im Wohnzimmer!
    Ein leises Geräusch, das jedoch stark an den Motor eines Pkws erinnerte, wischte all diese Gedanken fort. Livia atmete schneller, setzte sich kerzengerade auf und richtete ihre gesamte Konzentration auf das Gehör. Das Geräusch verstummte, was jedoch kein schlechtes Zeichen war. Schließlich konnte es bedeuten, dass Arvin den Wagen geparkt hatte. Und tatsächlich, gleich darauf fiel eine Autotür ins Schloss. Livia fuhr sich nervös mit den Fingern durch die Haare. Sie hatte alles getan, um hübsch auszusehen, und mindestens eine halbe Flasche Haarspray verbraucht. Vielleicht … ganz vielleicht … gefiel sie Arvin ja. Er hatte sie seit Wochen nicht mehr gesehen. Und ihr Aussehen hatte sich durchaus zum Positiven verändert. Vielleicht war er angenehm überrascht … Vielleicht konnten sie ganz von vorn beginnen …
    Livia hörte, wie die Haustür geöffnet und wieder geschlossen wurde, dann Schritte im Flur. Sie versteifte sich noch mehr. Die Schritte kamen näher. Sie hörte auf zu atmen. Die Wohnzimmertür öffnete sich.
    „Oh“, machte Arvin, als er Livia erblickte. Mit überraschtem Gesichtsausdruck stand er im Türrahmen und starrte sie an. Livia hatte den Eindruck, als würde er die gesamte Tür ausfüllen, so groß und breit wirkte er auf sie. Er trug eine schwarze Stoffhose und ein ziemlich zerknittertes helles Hemd.
    „Karen hat dir doch gesagt, dass ich hier sein würde?“, begann Livia ängstlich. „Sie hat versprochen, dich zu informieren.“
    „Ich bin informiert“, antwortete Arvin und starrte sie immer noch an. „Ich hab dich nur nicht … im Wohnzimmer erwartet.“
    „Wo denn?“, gelang es Livia zu fragen. Unter Arvins finsterem Blick fühlte sie sich immer unwohler.
    „Vielleicht im Gästezimmer. Karen hat dir doch hoffentlich gesagt, dass du im Gästezimmer schläfst?“ Es war nicht der Hauch von Freundlichkeit oder Wohlwollen in seinem voluminösen Bariton.
    Livia schluckte. Sie hatte keinen Zweifel, dass Karen ihr das Gästezimmer zugewiesen hatte. Es war entsprechend karg und unpersönlich eingerichtet. Aber immerhin hatte sie nicht

Weitere Kostenlose Bücher