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Als gaebe es kein Gestern

Als gaebe es kein Gestern

Titel: Als gaebe es kein Gestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kirsten Winkelmann
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hatte, atmete sie ein paarmal ganz tief durch. Ab heute begann ein neuer Lebensabschnitt! Sie würde sich endlich abnabeln … von Arvin, von diesem düsteren Haus und von ihrer Rolle als Hausfrau. Ihr Mund verzog sich zu einem breiten Lächeln. Ein neues Leben lag vor ihr! Ein Leben mit Blumen … mit Hund … und vielleicht sogar mit Enno.
    ❧
    Dass sich dieses neue Leben so anders und so wundervoll anfühlen würde, hatte Livia aber nicht gedacht …
    Sie saß auf der Rückbank eines luxuriösen BMW 7 und hatte ein Wollknäuel auf dem Schoß, das ungeahnte Gefühle in ihr wachrief. Zu Beginn der Fahrt hatte es immer wieder versucht, von ihrem Schoß zu krabbeln und wahrscheinlich zu seiner Mama zu rennen, aber jetzt lag es zusammengerollt auf ihren Oberschenkeln und schlief. Livia konnte seine gleichmäßigen Atemzüge spüren. Und sie sandten eine Ruhe aus, die sich eins zu eins auf Livia übertrug. Alles würde gut werden!
    Mit der rechten Hand strich sie dem pechschwarzen Bündel immer wieder über das samtene Fell, mit der Nase sog sie seinen etwas strengen und doch angenehmen Duft in sich auf. Und obwohl sie sich in einem fremden Auto und in einer ihr fremden Gegend befand, war ihr auf einmal, als wäre sie nach Hause gekommen … an einen Ort, an dem sie lange nicht gewesen war … vielleicht sogar an einen Ort ihrer Vergangenheit.
    Wie hatte sie jemals daran zweifeln können, dass es richtig war, sich einen Hund anzuschaffen? Und wie war es nur möglich, dass ihre Abneigung gegen Arvin der eigentliche Grund für seine Anschaffung gewesen war?
    Der Hund bewegte sich ein wenig und zauberte dadurch ein verklärtes Lächeln auf Livias Gesicht.
    „Spike“, flüsterte sie zärtlich. Es kam nicht mehr darauf an, dass sie diesen Namen wegen Arvin ausgewählt hatte. Es war der einzige Hundename, den sie kannte. Und es war ein wundervoller Name.
    „Ich sollte dir doch Bescheid sagen, sobald wir nur noch eine Stunde von zu Hause weg sind“, sagte Gunda. Da Manfred mit heftigen Kopfschmerzen zu Hause geblieben war, saß sie am Steuer.
    „Oh ja“, erinnerte sich Livia. „Krieg ich dein Handy?“
    Gunda reichte es ihr nach hinten.
    „Hör mal“, sagte Livia ein wenig zerknirscht. „Dass ihr mir das Geld für den Hund geliehen habt, war eigentlich schon zu viel des Guten. Und dann auch noch die weite Fahrt … Wenn ich jetzt auch noch euer Handy benutze …“
    „Jetzt mach aber mal halblang“, winkte Gunda ab. „Der Tag war wunderschön. Und wenn ich Spike gelegentlich mal ausführen darf, ist das schon Belohnung genug. Du weißt doch, dass ich immer selbst einen Hund haben wollte.“ Sie seufzte. „Ist schon blöd, dass Manfred gegen Hundehaare allergisch ist.“
    „Ich zahl’s euch zurück“, versprach Livia, „auf Heller und Pfennig.“
    Sie wählte Ennos Handynummer.
    Schon nach zweimal Klingeln war er dran. „Na endlich“, sagte er, „ich dachte schon, du würdest dich überhaupt nicht mehr melden.“
    „Es gab so viel zu regeln“, entschuldigte sich Livia. „Verhaltensmaßregeln, Futter, Krankheiten … Ich glaub, ich hab mir nicht mal die Hälfte gemerkt.“
    „Vorsicht auf Gleis drei, ein Schnellzug fährt durch.“ Obwohl sie durchs Telefon kam, hatte Livia die Ansage erstaunlich gut vernommen.
    „Wo bist du?“, fragte sie verwundert.
    „Am Bahnhof“, antwortete Enno. „Aber nicht um Zug zu fahren. Ich hab mir nur was zu essen gekauft.“
    Livia sah auf ihre Uhr. „Es ist schon nach acht. Ich glaub nicht, dass wir uns heute noch sehen können.“
    „Wo seid ihr denn?“
    Livia sah nach draußen. Es war schon dunkel. Einen Moment lang starrte sie auf die Leitplanken zu ihrer Rechten und hatte das Gefühl, als würden sie in einem irren Tempo an ihr vorbeiziehen. Fast wurde ihr schwindelig dabei. Dann tauchte ein Schild auf, das auf eine Abfahrt hinwies. Sie las Enno das Schild vor.
    „Ich schätze, dann braucht ihr sogar noch etwas länger als eine Stunde“, überlegte Enno. „Du hast recht, heute wird’s zu spät. Wie wär’s mit morgen?“
    Livia zögerte einen Moment lang. Sie merkte schon länger, dass sie nicht sonderlich wild auf Ennos Besuche war. Woher kam das? Enno war doch so nett zu ihr! „Kaffeezeit?“, fragte sie tapfer.
    „In Ordnung, bis dann.“
    Livia schaltete das Gerät aus und gab es Gunda zurück. Dabei musste sie sich ganz schön verrenken, um den Hund nicht aufzuwecken. Das Handy war gerade wieder in Gundas Handtasche verschwunden, als diese fragte:

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