Als gaebe es kein Gestern
schwappte eine ganze Welle von Erinnerungen über sie hinweg. Der Mann aus dem Krankenhaus!
„Ja. Sagt dir das –“ Gundas Satz wurde von einem ohrenbetäubenden Knall unterbrochen, der Spike mit einem einzigen Ruck von Livias Schoß katapultierte und die beiden Frauen panikartig aufschreien ließ. Als der Wagen zur linken Seite hin ausbrach, wurde Livia nach rechts geschleudert, aber vom Gurt festgehalten. Als Nächstes spürte sie ein heftiges Rumpeln, das sie wiederum nach links warf. Ihm folgte ein klirrendes Quietschen, das sich kaum lebensbedrohlicher hätte anhören können. Livia ruderte mit den Armen herum, versuchte sich irgendwo festzuhalten, stöhnte dann aber auf, als sie, begleitet von einem weiteren Knall, nach vorne geworfen wurde. Dabei nahm ihr der plötzliche Druck des Gurtes die Luft zum Atmen. Sie rang um Sauerstoff. Gleichzeitig fühlte sie sich wie in der Achterbahn. Irgendwie schien jetzt alles außer Kontrolle geraten zu sein. Der Wagen schlingerte, knallte wieder gegen etwas, drehte sich um seine eigene Achse … Wieder quietschte es. Aber dieses Mal klang es mehr nach verzweifelten Bremsgeräuschen. Livia hörte Gunda erst fluchen, dann wimmern. Hinter ihr knallte irgendetwas anderes. Dann kam plötzlich alles zur
Ruhe.
Alles.
Ein paar bange Sekunden lang war sich Livia nicht sicher, ob sie am Leben war. Sie sah nichts. Sie hörte nichts.
„Gunni?“, wollte Livia sagen, bekam aber nur ein jämmerliches Krächzen zustande.
„Livia“, stöhnte Gunda. „Geht’s dir gut?“
„Ich … weiß nicht, was passiert ist“, keuchte diese. Sie klang völlig verstört.
„Ich auch nicht“, gab Gunda zurück. „Ich hab plötzlich die Kontrolle verloren! Aber da war nichts. Kein Auto, kein Baum. Es ist einfach so passiert. Aus dem Nichts.“
„Es ist so dunkel“, jammerte Livia.
Und so war es. Rundherum war es stockfinster. Nur vorne war ein kleiner Lichtschein zu sehen, der wahrscheinlich von den Frontscheinwerfern stammte.
Und hinten? Livia versuchte sich umzudrehen, doch der Gurt saß bombenfest. Außerdem bestrafte er jede Bewegung mit Schmerzen. Livia hatte das Gefühl, dass sie vor allem an der Brust grün und blau war.
Sie streckte die Hand aus und tastete nach Spike.
Nichts.
„Spike“, jammerte sie, erhielt aber keine Antwort. Wo war er?
„Ich muss nachsehen, wo wir zum Stehen gekommen sind“, stöhnte Gunda.
Aber beinahe im gleichen Moment riss jemand die Fahrertür auf. „Haben Sie ein Handy?“ Es war eine Männerstimme. Sie klang noch recht jung.
„J-ja“, antwortete Gunda und tastete über sich nach der Deckenbeleuchtung. Als sie sie gefunden hatte, fiel gestreutes Licht in den Frontbereich des Wagens. „Livia?“
„Ich hab’s dir wiedergegeben … Es muss in deiner Handtasche sein“, wimmerte diese.
Gunda suchte und fand ihre Tasche und wühlte planlos darin herum.
„Geben Sie her!“, befahl der Mann. Er beugte sich ins Auto herein und entriss Gunda die Handtasche. Livia konnte ihn jetzt ganz gut erkennen. Er war wirklich noch recht jung. Zumindest war er so angezogen. Er trug eine ausgefranste Jeansjacke und eine Schirmmütze.
„Ist jemand verletzt?“, fragte Gunda.
„Meine Freundin“, sagte der junge Mann. Er hatte inzwischen das Handy gefunden und tippte eine Nummer ein.
Gunda drehte sich währenddessen zu Livia um. „Bist du verletzt?“
Livia schüttelte den Kopf. „Aber ich kann Spike nicht sehen.“ Sobald das Licht angegangen war, hatte sie verzweifelt nach ihm Ausschau gehalten. Aber er war weg, wie vom Erdboden verschluckt.
„Wir müssen … ein Warndreieck aufstellen oder so was“, keuchte Gunda.
„Schon passiert“, sagte der junge Mann. Und dann schien er den Notruf dran zu haben, jedenfalls telefonierte er, schilderte erstaunlich ruhig, was passiert war, gab die Position in Autobahnkilometern an und bat darum, dass ein Kranken- sowie ein Polizeiwagen geschickt wurden.
Livia staunte. Dieser junge Mann schien die Situation komplett im Griff zu haben. Sie griff nach rechts und versuchte, ihren Gurt zu lösen. Er saß extrem fest, ließ sich nach einiger Anstrengung aber doch lösen. Sie öffnete die Wagentür.
„Sie bleiben sitzen“, befahl der junge Mann in strengem Tonfall und hielt ihr seine Hand entgegen. „Es ist stockduster. Ich hab keinen Bock auf Leute, die in verwirrtem Zustand auf der Autobahn rumrennen.“
„Ich bin nicht verwirrt“, protestierte Livia. „Ich muss nur meinen Hund suchen.“
„Sie
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