Als Gott ein Kaninchen war
sicher bald soweit sein, weiterzuziehen. Wie wäre es, wenn wir sie suchen gehen?«
Er drückte meine Hand. » Das wäre schön«, sagte er, und ich trank meinen Kaffee aus und ließ den Rest meines Croissants in Nelsons dankbarem Maul verschwinden.
Ein frischer Wind wehte durchs Tal und brachte immer wieder Regen mit sich und den Geruch von Salz. Das Wasser drängte und schlug gegen die Seiten des Bootes, und Arthur jauchzte vor Vergnügen. Nelson stand am Bug wie eine Galionsfigur, bis ein Schwarm Kanadagänse ihn erschreckte, die unerwartet aufflogen. Er sprang ins Bootsinnere und versteckte sich hinter Arthurs warmen, spindeldürren Beinen. Ich schaltete den Motor aus und ruderte am Flussufer entlang, auf der Suche nach den großen Nestern, die die Reiher für gewöhnlich in diesem Abschnitt am Wasser bauten. Wir versteckten uns hinter überhängenden Ästen, verharrten, um den verschiedenartigen Klängen des Flusses zu lauschen. Und als wir kurz auf eine Kiesbank liefen, verbündete sich das ledrige Grün und das Graugrün und das Schwarzgrün der Wasserpflanzen, das uns von allen Seiten umgab, mit der dunklen Wetterfront, die ganz plötzlich über dem Fluss aufzog wie dichter, dunkler Rauch. Ich schaffte es kaum noch, die schwere Abdeckplane über uns zu ziehen, bevor der erste Blitz über den Himmel zuckte und Graupel auf uns herunterprasselte.
» Oh, ich seh es alles vor mir!«, sagte Arthur, als er sich in den Regen hinaustastete und jauchzend sein Gesicht in den Sturm hielt, als die wütende Offensive der Natur gegen seine Sinne peitschte. Die Luft war erfüllt von kanonenartigem Donnergrollen, und Blitze zuckten über den Feldern und Bäumen.
» Arthur! Komm zurück!«, schrie ich, als er ins Straucheln geriet.
Wieder triumphierten Donner und Blitz, das Geräusch von zersplitterndem Holz hallte durchs Tal; das laute Prasseln des Regens auf der Flussoberfläche, bevor er von der anschwellenden Masse verschlungen wurde. Nelson verkroch sich weiterhin zitternd hinter Arthurs Beinen, und Arthur schrie wieder gegen den Sturm an, fluchte über den Verlust seines Jungen, seines angebeteten, lieben Jungen, den er nie wieder spüren noch erkennen würde.
Ich hörte das Klingeln meines Handys nicht– vielleicht war es der donnernde Lärm oder der schlechte Empfang während des Gewitters. Aber als der Sturm vorbeigezogen war und uns mit einem schwachen, von Sonnenstrahlen durchbrochenen Sprühregen zurückließ, da hörte ich es, das Klingeln, das plötzlich mitten durch die erschöpfte Stille über dem narbigen Flusstal hallte.
» Elly«, sagte die Stimme.
» Charlie?«
» Elly, sie haben ihn gefunden.«
Der Moment, den ich herbeigesehnt hatte. Ich hielt mir den Bauch. Meine Beine fingen plötzlich an zu zittern. Ich griff nach Arthurs Hand. Was hatten sie gefunden? Was hatten sie gefunden, das ihn identifiziert hatte? Und als könne er meine Gedanken lesen, sagte er: » Nein, Elly, sie haben ihn gefunden. Er lebt.«
… für einen Passanten mochte es so ausgesehen haben, als sei er nur ein Mann, der auf einer Bank sitzt, von der aus man Lower Manhattan überblicken kann. Ein Mann, der sich einen stillen Moment allein gönnt, weg von Frau und Kindern womöglich und dem ganzen Druck in der Arbeit. Er mochte ausgesehen haben wie einer, der nicht schlafen konnte, genauso wie die Jogger, die zu dieser frühen Stunde schon die Promenade entlangliefen. Beides hätte er sein können, denn er saß im Schatten der Bäume, und niemand war ihm nahe genug gekommen, um zu sehen, dass seine Augen geschlossen waren. Nicht nahe genug, um das kleine Rinnsal Blut zu sehen, das ihm aus dem Ohr lief, oder den dunklen nassen Fleck in den Locken an seinem geschwollenen Kopf. Denn sie kamen ihm nicht nah genug, um es zu sehen. Er hätte auch bloß ein Betrunkener sein können, der in den frühen Morgenstunden auf einer Bank sitzt. Und wer interessierte sich schon für einen Betrunkenen.
Er wurde bewusstlos aufgefunden, um drei Uhr morgens des elften September 2001, auf einem Abschnitt der Promenade in Brooklyn Heights, einem Ort, an den er immer ging, um über das Leben nachzudenken.
Es ist einen ganz schönen Fußmarsch von seinem Haus entfernt, Jenny, aber er machte diesen Spaziergang gern nachts, oft statt joggen zu gehen. Er liebte die Brücke, liebte es, über die Brücke zu laufen, und hatte dabei nie Angst vor der leeren Aggression, die die Dunkelheit umarmte, denn sie faszinierte ihn und verlieh ihm Mut. Er fand es
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