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Als Gott ein Kaninchen war

Als Gott ein Kaninchen war

Titel: Als Gott ein Kaninchen war Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Winman
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wo früher einmal Blumenbeete blühten. Die Veranda ist noch da, und ich sehe Mäntel im Eingang hängen. Ich bin eine Fremde. Ich fahre weiter. Nichts ist so, wie es sein sollte.
    Ich schaue auf die Uhr. Schon spät. Mir ist kalt. Ich warte darauf, dass die Lichter in den Häusern ausgehen. In der Gasse riecht es wie früher; ich bin allein. Ich nehme die Bewegung eines Fuchses war. Er kommt näher– sie haben die Städte erobert–, ich kicke Steine in seine Richtung, und er trollt sich, nicht eingeschüchtert, aber irritiert. Ich schaue über den Zaun. Während ich hinüberspähe, geht das letzte Licht aus. Ich bin nervös; Schattenrisse überall um mich herum. Ist das ein Mensch? Ich drücke mich an das alte Tor. Mein Blut pulsiert. Geh weiter, geh weiter, geh weiter. Ich höre, wie sich seine Schritte im Kies entfernen. Ich zähle die Stille. Sie bleibt.
    Der Riegel lässt sich leicht öffnen, und ich blockiere das Tor mit einem Stein. Der Lichtstrahl der kleinen Taschenlampe ist erstaunlich stark, und der Haufen Plunder am Ende des Gartens scheint unberührt, abgesehen von Fuchskot und einem alten Turnschuh. Ein Hühnergerippe.
    Ich grabe mich durch feuchtes Laub, bis ich auf Erde stoße, eine Handbreit vom Lattenzaun entfernt. Ich schaufle die Erde mit beiden Händen zur Seite, bis ich etwas Kaltes, Blechernes spüre. Ich ziehe es heraus und wische den Deckel ab: Keksmischung (wir aßen damals alles).
    Ich räume nichts zurück, versuche nicht, meine Spuren zu verwischen. Man wird einen Fuchs dahinter vermuten. Ich will bloß weg von hier. Ich trete den Stein weg und verriegle das Tor von außen. Ich entferne mich schnell. Die Dunkelheit schließt sich hinter mir. Als wäre ich nie dort gewesen.
    *
    Das Polaroidfoto ist im Licht des frühen Morgens überraschend gut zu erkennen. Das Mädchen, das ein Junge wurde. Ich lächle (ich verstecke mich). Das Weihnachten mit meinem Kaninchen. Lass etwas hier, hatte er gesagt.
    Ich greife nach meinem Kaffee, ziehe noch eine Schicht an und blicke auf all das Vertraute meines Erwachsenenlebens. Ich falte sein Geheimnis auseinander. Das Gekrakel seiner fünfzehn Jahre alten Schrift schnürt mir den Hals zu– in meinen Augen ein Geheimcode. Zu frei, um etwas zu erklären.
    Golan Wahl. waren noch jung. sonst sterben. jemandem erzählen, nicht du Elly, Schuld. Feigling. Perfekt immer aufpassen auf DICH immer.

Ich kam an, als sich eine graue Nachmittagskälte auf den Bahnhof gesenkt hatte, die meine Ankunft mit einem nichtigen Versprechen verkündete. Der Bahnhof lag ganz ruhig da. Nur ein weiterer Fahrgast stieg mit mir aus, ein Fahrgast, der sein Zuhause auf dem Rücken trug und mit dem geübten Gang eines Wanderers die Rampe hinaufging. Ich ließ ihn vorangehen.
    Ich hatte niemandem gesagt, dass ich käme, nicht einmal Alan, und nahm mir stattdessen einfach draußen vor dem Bahnhof ein Taxi. Wenn ich ehrlich war, wäre ich lieber in London geblieben, weit weg von allem, das mir sagte: Das ist Joe. Denn hier steckte er in allem, den Ausblicken und den Gerüchen und den Bäumen, genauso wie ich in allem hier steckte, so verflochten waren wir mit der Landschaft, die uns geformt hatte, in der wir verwurzelt waren, und die uns Halt gab.
    Ich ließ mich am Ende der befestigten Straße beim alten Gatter absetzen, bei dem bemoosten, eingekerbten Wort »Trehaven«, das wir vor dreiundzwanzig Jahren zum ersten Mal sahen. Als wir noch einmal am Rande des Abenteuers, das uns erwartete, innehielten, ich mit der zaghaften Sehnsucht, mein Leben wieder zu beginnen, und er mit einem gebrochenen Herzen, das nie wieder ganz heilen sollte.
    Es war kalt, und ich war zu dünn angezogen, aber die Kälte fühlte sich gut an und machte meinen Kopf frei, erlaubte es mir, kurz stehenzubleiben und dem leisen Klopfen eines Spechts zu lauschen. Und als mich der Hügel hinunter zum Haus brachte, packte mich die Leere, die er hinterlassen hatte, doch etwas in dieser Leere flüsterte: Er ist noch immer hier. Ich hörte es, als der Hügel mich in die Stille der Essenszeit trieb und zu dem maskierten Schmerz und den offenen Fotoalben, die nun nicht mehr in muffigen Schubladen aufbewahrt wurden. Er ist noch immer hier, flüsterte es, als sich meine Schritte beschleunigten und mir die Tränen hinunterliefen, noch immer hier, bis ich zu rennen anfing.
    Sie waren in der Küche, alle drei, tranken Tee und aßen Biskuitkuchen. Es war Nelson, Arthurs Blindenhund, der mich zuerst bemerkte, der kleine

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