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Als Gott ein Kaninchen war

Als Gott ein Kaninchen war

Titel: Als Gott ein Kaninchen war Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Winman
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davonwatschelte und dabei einen gespenstischen Schatten an die Wand warf. Sie drehte sich zu mir um und warf mir ein strahlendes Lächeln zu. Sie hatte sich sogar ein paar Zähne schwarz angemalt.
    Das Licht wurde gedämpft. Mir wurde schlecht. Musik erfüllte knisternd den Saal. Ich wischte mir die Hände an meiner roten Tunika ab und hinterließ einen schwitzigen Fleck. Ich setzte meine Sonnenbrille auf. Im Dunkeln war ich jetzt völlig blind. Ich piekte einem der Schafe mit meinem Stab in den Hintern, und es fing an zu heulen. Ich entschuldigte mich bei Miss Grogney dafür und erklärte, dass ich nicht sehen könne, was ich tue, und sie sagte: » Gut, dass Gott nicht so blind war.« Mir lief es kalt den Rücken hinunter.
    Das Stroh in der Krippe roch intensiv. Ich hatte es von zu Hause mitgebracht, und gerade weil es nicht mehr ganz frisch war, wirkte es so authentisch. Michael Jacobs, der das Jesuskind spielte, kratzte sich schon die ganze Zeit, seit man ihn in die überdimensionale Krippe gelegt hatte, und im Scheinwerferlicht sahen seine dreckverschmierten, pausbäckigen Züge so aus, als hätte er einen Vollbart. Ich stocherte mit meinem Stab herum und brachte mich so in Position.
    Die Szene mit dem Erzengel Gabriel schien recht gut zu laufen, und ich hörte das Publikum sogar jubeln und klatschen, als Maria Disponera, eine neue Schülerin aus Griechenland, plötzlich ihren Text vergaß und einfach sagte: » Du da, Maria. Du bekommst Kind. Geh nach Bet-lem.« Sie hatte nur deshalb eine so wichtige Rolle bekommen, weil ihre Eltern ein griechisches Restaurant hatten, und Miss Grogney so oft sie wollte dorthin gehen konnte, bis sie eines Tages einen Teller zu viel zerdepperte.
    Die Hirten waren ein verschlafener Haufen. Sie wiesen in die falsche Richtung, als sie zum Stern zeigen sollten, und als sie wieder davontrotteten, wirkten sie widerwillig und gelangweilt. So, als wäre da nur ein Frettchen auf die Welt gekommen und nicht der Sohn Gottes. Der Auftritt der Heiligen Drei Könige ließ dann wieder hoffen, allerdings nur bis einer von ihnen seine Schatulle mit Weihrauch fallen ließ, die in Wahrheit eine Teedose aus Porzellan gefüllt mit Earl Grey war. Ein Raunen ging durchs Publikum, während die Mutter des kleinen Königs zum Taschentuch griff und leise um den Verlust eines alten Familienerbstücks weinte. Er hatte ihr nicht einmal gesagt, dass er es zweckentfremden würde. Ebenso wenig wie er ihr sagte, dass er rauchte. Zwischen ihren leisen Schluchzern quietschte plötzlich ein einsames Schaf auf und sank auf den Bauch, als sich ein scharfes Stück zerbrochenen Porzellans in sein knochiges Knie bohrte. Die Heiligen Drei Könige stiegen einfach über das verletzte Schaf hinweg, als sie von der Bühne abgingen. Allein Miss Grogney hatte die Weitsicht, während des Szenenwechsels auf die Bühne zu robben und das Kind wie einen unförmigen, gehäuteten Pelz wegzuschleifen.
    Ich stand auf Position hinter meiner falschen Tür. Plötzlich hörte ich ein Klopfen.
    » Jaaa?«, sagte ich, wie Nancy mir geraten hatte, dass ich es sagen solle, öffnete die Tür und trat eilig hinaus in das Licht. Das Publikum schnappte nach Luft. Später sagte Nancy mir, ich hätte ausgesehen wie eine Mischung aus Roy Orbison und der kleinwüchsigen Mörderin aus Wenn die Gondeln Trauer tragen. Ich kannte keinen von beiden.
    » Ich bin Maria und das ist Josef. Wir wissen nicht, wo wir übernachten sollen. Habt Ihr eine Bleibe für uns?«
    Mein Herz klopfte wie wild; meine Zunge fühlte sich geschwollen und schwer an. Sag es, los, sag es.
    » Ihr sucht eine Bleibe?«, sagte ich und wich damit urplötzlich vom Text ab.
    Maria und Josef schauten verdutzt. Miss Grogney starrte mich von der Seitenbühne aus eindringlich an, hielt das Textbuch hoch und zeigte darauf.
    » Lasst mich nachdenken«, sagte ich.
    Die Stille lag schwer in dem Raum, die angespannte Erwartung war geradezu greifbar. Mein Herz klopfte heftig, meine Kehle war zugeschnürt. Sag es, sagte ich zu mir, sag es. Und dann sagte ich es.
    » Ja«, sagte ich also, » ich habe ein Zimmer, mit einem schönen Ausblick und zu einem hervorragenden Preis. Bitte folgt mir.« Mit meinem weißen Stock bahnte ich mir tastend den Weg und warf– dank der Bühnenbildner– einfach mal so zweitausend Jahre Christentum über den Haufen, als ich Maria (mittlerweile weinend) und Josef in ein Zimmer mit Bad, Fernseher und Minibar führte. Als der Vorhang für eine verfrühte Pause fiel, blieb

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