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Als Gott ein Kaninchen war

Als Gott ein Kaninchen war

Titel: Als Gott ein Kaninchen war Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Winman
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geht doch nicht darum, dass es neu ist, Herrgott noch mal! Dieses Auto ist so teuer, die meisten Leute würden mit so einer Summe ein Haus anzahlen. Dieses Auto vermittelt den Eindruck, wir wären etwas, das wir nicht sind. Dieses Auto ist kein Auto, sondern ein verdammtes Statement für alles, was falsch läuft in diesem Land. Ich werde mich da niemals reinsetzen. Entweder das Auto verschwindet, oder ich.«
    » Also gut«, sagte mein Vater, stand auf und verließ den Tisch.
    In Erwartung der Entscheidung meines Vaters zwischen Frau und fahrbarem Untersatz setzte sich meine Mutter ab und hinterließ bloß eine Nachricht, die lautete: Macht euch um mich keine Sorgen. (Bis dahin hatten wir das nicht, aber plötzlich machten wir uns doch Sorgen.) Ich werde euch vermissen, meine zwei kostbaren Kinder. Das demonstrative Weglassen meines Vaters lag in der Luft wie der Geruch des überreifen Stiltonkäses letzte Weihnachten.
    Während dieser Phase der Trennung auf Probe fuhr mein Vater, scheinbar unbeirrt von seinem plötzlichen Single-Dasein, zu seiner Rechtshilfestelle. Er brachte unbestritten Glanz auf den mit Schlaglöchern übersäten Parkplatz, den sich seine Kanzlei mit einer billigen Imbissbude teilte. Kriminelle kamen herein und fragten unverblümt nach dem Anwalt » mit dem Schlitten da draußen«. Sie sahen darin ein Zeichen für Erfolg, ohne zu wissen, dass die Person, der es gehörte, sich noch nie mehr als Versager gefühlt hatte.
    Eines Abends sprach er mich in der Küche auf das Auto an.
    » Dir gefällt es doch, oder, Elly?«
    » Nicht wirklich«, erwiderte ich.
    » Aber es ist doch ein schönes Auto.«
    » Aber niemand sonst hat so eins«, sagte ich.
    » Aber das ist doch was Gutes, oder etwa nicht? Herauszustechen und anders zu sein?«
    » Ich weiß nicht«, sagte ich, denn ich war mir meines stummen Wunsches, mich anzupassen, ziemlich bewusst, einfach nur um nicht aufzufallen, um mich zu verstecken. » Ich will nicht, dass die Leute wissen, dass ich anders bin.«
    Und ich blickte hoch und sah, dass mein Bruder in der Türöffnung stand.

Als meine Familie auseinanderbrach, fing auch mein Schulleben an zu bröckeln. Mit Freuden nahm ich von Lese- und Schreibprojekten Abstand, indem ich die Lehrer absichtlich wissen ließ, dass es bei uns zu Hause Probleme gab. Ich griff die Möglichkeit auf, dass auch ich aus einer zerrütteten Familie stammen könnte. Jenny Penny erzählte ich, dass sich meine Eltern wahrscheinlich scheiden lassen würden.
    » Für wie lange?«, fragte sie.
    » So lange es eben dauert«, sagte ich und ahmte damit die theatralischen Abschiedsworte meiner Mutter nach, die ich zufällig mitangehört hatte, bevor sie meinem Vater die Haustür vor der Nase zuschlug.
    Ich war eigentlich ganz zufrieden mit diesem neuen Leben, nur Jenny Penny und ich. Wir saßen zusammen im Schuppen herum, eine willkommene Ruhe abseits des Chaos und des Unglücks, das der plötzliche Reichtum uns eingebrockt hatte. Mein Bruder hatte den Schuppen gemütlich hergerichtet. Es gab sogar einen kleinen elektrischen Heizstrahler, vor dem Gott immer gern herumsaß. Sein Fell wurde dann ganz heiß und fing an, einen herben Geruch zu verbreiten. Ich hockte in dem abgenutzten Sessel, der früher in unserem Wohnzimmer gestanden hatte, und bot Jenny die alte Weinkiste aus Holz an. Ich tat so, als würde ich Wodka Martinis bei unserem unsichtbaren Kellner bestellen: das Getränk der Reichen, sagte mein Bruder immer, das Getränk der Kultivierten. Das Getränk, das es eines Tages als Begrüßungsdrink auf der Party zu meinem achtzehnten Geburtstag geben würde.
    » Zum Wohl!«, sagte ich und nahm ein Schlückchen.
    » Zum Wohl!«, sagte sie.
    » Was ist los?«
    » Nichts«, meinte sie.
    » Du kannst mit mir über alles reden, weißt du.«
    » Ich weiß«, erwiderte sie und tat so, als würde sie ihren Martini austrinken.
    » Was ist los?«, fragte ich sie erneut.
    Sie sah nachdenklicher aus als sonst.
    » Was passiert mit mir, wenn deine Mum und dein Dad sich für immer trennen? Bei wem bleib ich dann?«
    Was konnte ich dazu schon sagen? Ich hatte ja noch nicht einmal für mich selbst eine Entscheidung getroffen. Meine Eltern hatten beide so ihre Vor- und Nachteile, und meine Liste war weit davon entfernt, vollständig zu sein. Stattdessen drückte ich ihr Gott in die Hand, der bereits einen recht beißenden Geruch absonderte. Doch er hatte sofort eine beruhigende Wirkung auf sie und duldete das ruppige, wenig feinfühlige

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