Als Gott ein Kaninchen war
meines Bruders, beschloss ich, in den Schuppen zu gehen, und mir die restlichen Seiten der Zeitschrift anzuschauen, die ich dort sorgfältig für ein andermal liegengelassen hatte.
Im Garten war es dunkel, und die Schatten der Bäume beugten sich im Wind über mich. An der Stechpalme hingen rote, feste Beeren, und alle meinten, es würde bald schneien. Die Vorfreude auf den Schnee war in meinem Alter genauso gut wie die Wirklichkeit. Mein Vater hatte mir vorsorglich schon einen Schlitten gebaut, und ich konnte ihn hochkant neben dem Schuppen stehen sehen, mit seinen frisch gewachsten Metallkufen, bereit für die Rutschpartie. Als ich am Schuppenfenster vorbeiging, konnte ich drinnen das flackernde Licht von Taschenlampen sehen. Ich hob einen herumliegenden Kricketschläger auf und schlich mich vorsichtig zur Tür. Es war schwer, sie lautlos zu öffnen, denn auf halbem Weg klemmte sie etwas, also zog ich sie stattdessen ruckartig auf. Und sah den undeutlichen Umriss von Charlie, der vor meinem zitternden Bruder kniete. Die Hände meines Bruders streichelten sein Haar.
Ich rannte weg. Nicht, weil ich Angst hatte– überhaupt nicht–, ich hatte dieses Zusammenspiel schon in der Zeitschrift gesehen. Aber da hatte es eine Frau gemacht, und vielleicht hatte auch dort jemand zugesehen, aber da konnte ich natürlich nicht sicher sein. Ich rannte weg, weil ich in ihre heimliche Welt eingedrungen war, und ich rannte weg, weil ich erkannt hatte, dass es eine Welt war, in der es nicht länger einen Platz für mich gab.
Ich hockte in meinem Zimmer und sah zu, wie die Uhr sich schleppend und träge eine Stunde weiterdrehte, während die Weihnachtslieder unten immer lauter wurden. Meine Mutter sang mit, als sei sie in einem Chor. Reich zu sein ließ sie mit mehr Selbstbewusstsein singen. Ich schlief bereits, als sie später in mein Zimmer kamen. Mein Bruder weckte mich. Das tat er nur, wenn etwas wirklich wichtig war. » Rutsch mal«, sagte er, und sie quetschten sich beide zu mir ins Bett und brachten die Kälte von draußen mit.
» Du darfst es niemandem verraten«, sagte er.
» Werd ich nicht«, sagte ich.
» Versprichst du es?«
» Versprochen«, antwortete ich und erklärte den beiden, ich hätte so etwas sowieso schon gesehen, in der Zeitschrift im Schuppen. Mein Bruder meinte, die sei nicht von ihm, und alle zusammen sagten wir » Oh!«, als uns die hässliche Wahrheit dämmerte, dass es sich womöglich um den stillen Trost meines Vaters handelte. Oder meiner Mutter. Vielleicht auch von beiden. Womöglich war der Schuppen sogar der amouröse Anbahnungsort meiner Empfängnis. Plötzlich fühlte ich mich schuldig, aufgrund der unkontrollierbaren Triebe, die sich offenbar in meiner Ahnentafel versteckten.
» Ich will jetzt schlafen«, sagte ich, und sie gaben mir beide noch einen Gutenachtkuss und schlichen davon.
Im Dunkeln dachte ich über die Bilder nach und über Mr Golan und fühlte mich alt. Wenn es das war, was mein Vater meinte, als er sagte, Nancy sei zu schnell erwachsen geworden, dann fing ich langsam an zu begreifen.
Die Fahne war gehisst, das Quecksilber stieg langsam höher, und die Umhänge aus Union-Jack-Flaggen flatterten auf unseren jungen Rücken. Es war das letzte Wochenende im Mai 1977. Die Queen war noch nie so populär gewesen.
Die Sex Pistols plärrten aus dem Plattenspieler, den Mrs Penny sofort nach ihrem effektvollen Erscheinen beim Straßenfest eine halbe Stunde zuvor in Beschlag genommen hatte.
Sie gab eine aufsehenerregende Figur ab, als sie die Straße entlanggetänzelt kam, in ihrer weit aufgeknöpften Seidenbluse, die unsere Nachbarin Miss Gobb an » festgeklemmte Vorhänge« erinnerte: » Und was im Wohnzimmer von so einer vorgeht, muss nun wirklich keiner sehen.«
Mrs Penny machte am ersten Tapeziertisch halt und übergab die Schachtel, die sie dabeihatte.
» Hab ich selbstgemacht«, sagte sie.
» Wirklich?«, erwiderte Olive Binsbury nervös.
» Nein, ist geklaut…«
Schweigen.
» Witz, Witz!«, sagte Mrs Penny. » Es ist ein Victoria-Biskuitkuchen– benannt nach der alten Queen.« Und alle lachten. Zu laut. Als hätten sie Angst.
Sie pogte und spuckte und reckte ihre nietenbesetzte Faust und hätte beinahe einen tödlichen Stromschlag abbekommen, als sie sich mit ihrem zehn Zentimeter hohen Absatz in dem gefährlich langen Verlängerungskabel verhedderte, das sich an der Kante der bemoosten Mauer schon leicht aufgescheuert hatte. Nur das schnelle Mitdenken und prompte
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