Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Als Gott ein Kaninchen war

Als Gott ein Kaninchen war

Titel: Als Gott ein Kaninchen war Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Winman
Vom Netzwerk:
Meerjungfrau sein können oder eine der Sängerinnen des Soultrios Three Degrees. Es war lustig, die anderen herumrätseln zu lassen. Dann trug mein Vater eine ziemlich große Schachtel herein, und alle im Raum verstummten. Er öffnete sie und holte etwas heraus, das die Form eines Helms hatte und von einem Strandtuch bedeckt war. Er setzte es mir auf den Kopf, und durch die Augenlöcher konnte ich das gestreifte Handtuchmuster sehen.
    » Ta-ta! «, rief mein Vater und zog blitzschnell das Tuch weg. Ein Raunen ging durchs Wohnzimmer. Durch meine Augenlöcher sah ich, wie Hände vor erstaunte Münder geschlagen wurden.
    » Was genau ist sie?«, fragte Ginger und stürzte einen frühen Scotch in einem Zug hinunter.
    Mein Vater drehte sich zu mir um und meinte: » Sag es ihnen, Elly.«
    » Ich bin eine Meeräsche!«, rief ich, und alle murmelten: » Ah ja, genau.«

» Zwei Gin Tonic und ein Wasser für den Fisch«, sagte mein Bruder schon zum fünften Mal an diesem Abend. Er war als Liza Minnelli verkleidet und sah sehr hübsch aus, bis einem auffiel, dass er sich nicht rasiert hatte, weder das Gesicht noch die Beine. Als wir aus dem Haus gegangen waren, hatten meine Eltern beide ein paar Tränen darüber verdrückt, dass ihr geliebter Sohn wie eine Tochter angezogen in die kalte Nacht hinausging, denn sie waren sich nicht sicher, als was er wohl zurückkehren würde. Das, so würde mein Vater später einmal sagen, sei eines der unverhofften Geschenke, die die Elternschaft nun einmal mit sich brachte.
    Als wir unsere Getränke in den Händen hielten, hatte Arthur uns bereits die besten Plätze vor dem Feuer gesichert, indem er geschickt Krankheit simuliert hatte. Mein Bruder schob meinen Sessel etwas weiter vom Kamin weg und erinnerte mich daran, dass ich leicht entzündlich war und dass es wirklich unangenehm wäre, wenn ich Feuer finge. Ich glaube, in diesem Moment fiel mir der Womble auf, der uns von der Ecke aus beobachtete. Er musste uns schon länger gefolgt sein, denn ich hatte ihn bereits im Jolly Sailor gesehen, wo er eine heftige Auseinandersetzung mit einem Hund hatte (einem echten). Er stand allein neben der Uhr, die halb zwölf anzeigte.
    Arthur stupste meinen Bruder an und sagte: » Womble auf zehn Uhr.« Und noch bevor ich sagen konnte, nein, nicht zehn Uhr, halb zwölf, kam der Womble auch schon auf uns zu.
    » Hi«, sagte mein Bruder, » ich bin Liza und das ist Fisch.«
    Ich hob meine Flosse hoch und unterdrückte ein Gähnen hinter meinem Pappmaché-Kopf, der sich plötzlich sehr schwer anfühlte.
    » Und ich bin Freddie Mercury«, sagte Arthur und befestigte nervös seinen Schnurrbart.
    » Ich bin Orinoco«, sagte Orinoco mit sehr tiefer Stimme, einer Stimme, die, wenn sie wirklich die eines Wombles aus der Kinderserie gewesen wäre, den kleinen Zuschauern sicher so große Angst gemacht hätte, dass sie niemals zu den beliebten Figuren geworden wären, die sie waren.
    Sein richtiger Name war Paul, glaube ich, und er war aus Manchester. Als er seinen Plüschkopf abnahm, kam kurzes braunes Haar zum Vorschein– vielleicht war es aber auch lang, ich kann mich nicht mehr wirklich erinnern, aber was ich noch weiß, ist, dass sich die Energie unseres wunderbaren Abends plötzlich veränderte, und er war der Grund dafür. Ich versuchte, wach zu bleiben, versuchte ihrem geflüsterten Geplänkel zu lauschen, den Scherzen, die sie von mir weglenkten. Aber es war zwecklos, ich gehörte nicht mehr dazu, und meine Augen fielen zu, bevor die ersten Takte von » Auld Lang Syne« die betrunkenen, wogenden Stimmen einten. Die Sorge um Jenny Penny, das Glas Sekt und all die weiteren heimlichen Schlückchen Alkohol hatten mein junges Hirn aus dem Hinterhalt überfallen, und danach konnte ich mich an nichts mehr erinnern. Nicht an die Heimfahrt oder daran, wie Arthur mich durch die Eingangstür und in die Arme meiner Mutter bugsierte. Ich weiß auch nicht mehr, dass Ginger noch auf dem steinernen Fußboden steppte oder Arthur eine wüste Geschichte über Prinzessin Margaret erzählte. Ich erinnere mich nur noch daran, dass mir mein Vater einen Gutenachtkuss gab und sagte: » Ich wünsche dir ein großartiges neues Jahr, Elly.«
    Vier Stunden später wachte ich auf, hungrig und putzmunter. Das Haus fühlte sich noch warm an, als ich nach unten schlich. Ich sah leere Flaschen und Decken im Wohnzimmer verstreut herumliegen. Gingers Schuhe und ihre Federboa kuschelten auf einem der Sessel. Ich marschierte in die Küche und

Weitere Kostenlose Bücher