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Als Gott ein Kaninchen war

Als Gott ein Kaninchen war

Titel: Als Gott ein Kaninchen war Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Winman
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Kopf, weigerte sich zu reden. Ihre Mutter wurde noch in derselben Nacht verständigt– und ihr Schicksal nahtlos besiegelt.
    » Sie fährt nicht mit dem Zug nach Hause, auf keinen Fall. Nein, Des ist zurück. Erinnerst du dich noch an Des? Mein Exfreund von vor ein paar Jahren. Wir sind seit einer Weile wieder zusammen. Ach, hat sie das gar nicht erzählt? Wie auch immer, er fährt morgen runter und holt sie ab.«
    Des, Des. Onkel Des.
    Derjenige, der sie auserwählt hatte.

Der Küchentisch wurde hinausgetragen und mit Zeitungspapier bedeckt, beschwert von drei angelaufenen Silberleuchtern, von denen Schlieren geschmolzenen Wachses über die Geschichten von gestern und darüber hinaus tropften. Als wir die Gläser und den Wein und die Platten mit Krabben und Hummern hinausgetragen hatten, hatte sich der Himmel verfinstert, eine furchteinflößende Finsternis, und wir drängten uns um die Kerzen wie ein Rudel Streuner. Wir wollten schon anfangen, aber dann fiel uns auf, dass jemand fehlte, also riefen wir ihren Namen, bis sie aus der Dunkelheit erschien wie ein schöner, irrlichterner Geist in einem weißen Hemdkleid aus Seide, das so weit aufgeknöpft war, dass man nur schwer ausmachen konnte, ob es halten oder herunterrutschen würde. Und als sie durch das taunasse Grass schritt wie die Hauptfigur aus ihrer neuen Fernsehserie, Detective Molly Crenshaw (Moll für ihre Freunde), war ihr Stolzieren das Stolzieren einer Polizistin. Als sei ihre Dienstwaffe an einer heiklen Stelle verborgen, die nur wenige Glückliche kannten.
    Als sie den Tisch erreichte, hielt sie triumphierend zwei Flaschen Champagner hoch, als hätte sie die Trauben selbst gepflückt und gären lassen und sie in Flaschen abgefüllt, alles innerhalb von nur einem Tag. Und wir konnten nicht umhin, als angesichts dieses Kunststücks zu jubeln und zu applaudieren, was die Behauptung, sie hätte ihre letzte Verbeugung in der Welt des Theaters hinter sich, sofort als Lüge entlarvte.
    » Lasst uns anfangen«, sagte sie, und wie aufs Stichwort wurde die Stille der kornischen Luft durchbrochen vom Geräusch zersplitternder Hummerschalen und den ersten Ahs und Ohs, als das süße, weiße Fleisch der Scheren seinen Weg in unsere Münder fand.
    » Du bist so schweigsam«, flüsterte mir mein Vater zu, als er sich zu mir herüberbeugte, um mir nachzuschenken. » Alles in Ordnung?«
    » Natürlich«, sagte ich, während Nancy an Arthur vorbei nach einem großen Hummer griff. Sekunden später hatte sie ihn auch schon geköpft, seine umhüllende Schale aufgebrochen und beiseitegeworfen und sein Fleisch in das intensiv riechende Aioli eingetaucht, bevor sie es hoch zu ihrem offenen Mund führte. Sie leckte sich die Finger ab und sagte etwas, aber die Worte verloren sich im Kauen und Schlucken. Sie sagte irgendetwas wie » Ich überlege zu heiraten«, und eine plötzliche Stille senkte sich über den Tisch.
    » Was?«, rief meine Mutter schließlich und bemühte sich sehr, das Entsetzen in ihrer Stimme zu verbergen.
    » Ich überlege zu heiraten.«
    » Bist du denn mit jemandem zusammen?«, wollte ich wissen.
    » Jap«, sagte sie und stopfte sich diesmal den Mund mit Brot und dunklem Krabbenfleisch voll.
    » Seit wann?«, fragte ich.
    » Schon eine Weile.«
    » Mit wem?«, fragte meine Mutter.
    Pause.
    » Mit einem Mann.«
    » Ein Mann?«, rief meine Mutter und gab sich nun keine Mühe mehr, das Entsetzen in ihrer Stimme zu verbergen. » Aber warum?«
    » Jetzt mach aber mal halblang«, meldete sich mein Vater zu Wort. » Wir sind nicht alle schlecht.«
    » Sag, es ist doch nicht etwa Detective Butler, oder?«, fragte Joe.
    » Doch, genau«, antwortete Nancy kichernd.
    » Is nicht wahr!«, rief Joe.
    » Wer ist Detective Butler?«, fragte meine Mutter. Ihre Stimme wurde immer schriller, je aufgeregter sie wurde.
    » Der total scharfe, junge Typ aus der Serie«, sagte Charlie.
    » Aber der ist doch sowas von schwul«, sagte Joe.
    » Er ist nicht schwul«, widersprach Nancy. » Das werd ich doch wohl wissen, ich schlafe schließlich mit ihm.«
    » Du bist lesbisch«, sagte Arthur.
    » Das ist was anderes, Arthur«, sagte Nancy und riss eine große Hummerschere auseinander. » Meine sexuelle Orientierung ist eben fließend.«
    » So nennst du das also?«, meinte Arthur und hämmerte willkürlich auf dem Kopf einer Krabbe herum.
    » Aber warum?«, fragte meine Mutter, füllte ihr Glas mit Wein und hatte es bereits fast geleert, noch bevor sie eine Antwort bekam. »

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