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Als Gott ein Kaninchen war

Als Gott ein Kaninchen war

Titel: Als Gott ein Kaninchen war Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Winman
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Warum nach all den Jahren?«
    » Ich hab mich verändert, und es fühlt sich nett an. Wir fühlen uns nett an.«
    » Nett?«, fragte meine Mutter und schenkte sich erneut nach. Ihr Gesicht wirkte im Kerzenlicht blass und gequält. » Nett? Nett war noch nie ein guter Grund, um zu heiraten«, und sie lehnte sich zurück, verschränkte die Arme und entzog sich der weiteren Diskussion.
    Danach sagte keiner mehr viel, abgesehen von ein paar banalen Kommentaren über die Größe der Krabben und einer Diskussion, ob Schnecken in der Feinschmeckerküche jemals mit Austern konkurrieren könnten. Und es wäre wohl den ganzen Abend über dabei geblieben, wäre meine Mutter nicht weich geworden, hätte sich vorgelehnt und sanft gefragt: » Ist das eine Phase, Nancy?«
    » Wohl eher die Midlifecrisis«, witzelte Arthur. » Warum kaufst du dir nicht lieber einen Ferrari?«
    » Hab ich schon.«
    » Oh.«
    » Ich weiß es nicht«, sagte Nancy und nahm die Hand meiner Mutter. » Alle wirklich guten Frauen sind schon weg.« (Meine Mutter schaute plötzlich wieder ein bisschen glücklicher drein und wurde rot, auch wenn ich mir dessen aufgrund der vorherrschenden Lichtverhältnisse nicht ganz sicher sein konnte.)
    » Außerdem«, fuhr Nancy fort, » redet er nicht ständig über seine Gefühle, veranstaltet keine Dramen wegen irgendwelcher Verflossenen, er will nicht mit mir einkaufen gehen, er zieht nicht meine Klamotten an, und er kopiert nicht meine Frisur. Das ist, gelinde gesagt, wirklich erfrischend.«
    » Nancy, wenn du glücklich bist, sind wir auch glücklich. Sind wir doch, oder?«, sagte mein Vater, und der ganze Tisch antwortete mit einem kläglichen Gestammel von » Ja, ja« und » Nehm ich mal an«.
    » Also dann, Glückwunsch«, sagte er. » Ich kann es kaum erwarten, ihn kennenzulernen.«
    » Und ich erst!«, riefen Joe und Charlie, beide ein bisschen zu enthusiastisch.
    Wir erhoben unsere Gläser und wollten gerade auf die schwul-lesbische Verbindung anstoßen, als wir mit einem Mal von einem lauten Platschen unterbrochen wurden, das vom Flussufer kam; ein Geräusch, das unsere betrunkenen Beine an den Rand des Wassers trieb. Wir schoben uns vorsichtig hinter meinem Vater den Steg entlang. Er hielt den Kerzenständer über die Wasseroberfläche und erleuchtete den schwarzen Fluss mit seinem gelben Schein. Die ausladenden Bäume führten bizarre Tänze auf. Die Schatten von greifenden Armen und grabschenden Fingern kamen auf uns zu. Wir hörten noch ein Platschen. Mein Vater drehte sich nach links, und da sahen wir sie, die verängstigten, stechenden Augen. Diesmal waren es nicht die Augen eines Otters; die Größe, die Schwimmbewegung– alles falsch. Nein, was wir da sahen, waren die weichen Umrisse des Kopfes eines Rehkitzes, das mit aller Kraft strampelte, um sich über Wasser zu halten. Es ging unter. Tauchte wieder auf. Seine entsetzten Augen starrten mich an.
    » Nicht, Elly!«, rief mein Vater, als ich in die glänzende Kälte lief.
    » Elly– das ist gefährlich! Um Gottes Willen, komm raus!«
    Ich watete zu dem ertrinkenden Tier. Hinter mir hörte ich ein weiteres Platschen und drehte mich danach um. Ich sah meinen Bruder, der hinter mir hergehechtet war, dass das Wasser nur so spritzte, mit großen Sprüngen auf mich zukommen. Das Reh geriet in Panik als ich näherkam. Es drehte hastig ab und ruderte wie wild zum anderen Ufer hinüber. Kurz darauf trafen seine Hufe unerwartet auf eine Sandbank, die sich an einer flacheren Stelle am Ufer des Flusses gebildet hatte, und ich beobachtete, wie es erschöpft die matschige Böschung hinaufstolperte. Und gerade als die Kerzen noch einmal aufflackerten, um dann in ihrer eigenen Flüssigkeit zu ertrinken, verschwand das Reh im Schatten des Waldes gegenüber. Wir blieben verlassen im Dunkeln zurück.
    » Idiot«, sagte mein Bruder, als er die Arme um mich schlang. » Was sollte denn das werden?«
    » Ich wollte es retten. Und was hattest du vor?«
    » Dich retten.«
    » Wenn du nicht willst, dass ich heirate, Ell«, schrie Nancy lauthals vom Ufer herüber, » dann hättest du es doch nur sagen brauchen, Schatz. Du musst dich doch nicht gleich umbringen.«
    » Komm«, sagte mein Bruder und brachte mich zurück ans Ufer.
    Ich saß vor dem prasselnden Kamin und sah zu, wie die Männer dilettantisch und laut Poker spielten. Meine Mutter beugte sich zu mir und füllte mein Weinglas auf. Vielleicht war es der Winkel oder das Licht, vielleicht war es einfach sie; aber in

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