Als Hitler das rosa Kaninchen stahl
eine ganz gewöhnliche runde weiß gestrichene Glühbirne. Was sollte selbst ein so verrückter Hund wie Pumpel damit machen?
›»Warum will er sie denn haben?« fragte sie.
»Natürlich weiß er nicht, daß es eine Birne ist«, erklärte Omama geduldig. »Er glaubt, es wäre ein Tennisball und will, daß ich mit ihm spiele.«
Pumpel schien zu merken, daß seine Wünsche endlich ernst genommen wurden, und begann, mit verdoppelter Anstrengung zu bellen und sich zu verneigen.
Anna mußte lachen. »Der arme Pumpel«, sagte sie und versuchte ihn zu streicheln - aber sofort schnappte er mit seinen gelben Zähnen nach ihrer Hand. Sie zog sie schnell zurück.
»Wir könnten die Birne herausschrauben«, sagte Mama, aber die Birne saß fest in ihrem Sockel und ließ sich nicht bewegen. »Vielleicht, wenn wir einen richtigen Tennisball hätten...« sagte Omama und suchte nach ihrem Portemonnaie. »Anna, mein Herzchen, es macht dir doch nichts aus? Ich glaube, die Läden sind noch offen.«
»Tennisbälle sind ziemlich teuer«, sagte Anna. Sie hatte sich einmal einen von ihrem Taschengeld kaufen wollen, aber es war längst nicht genug gewesen.
»Das macht nichts«, sagte Omama. »Ich kann den armen Pumpel doch nicht in diesem Zustand lassen - er ist schon ganz erschöpft.«
Aber als Anna zurückkam, hatte Pumpel das Interesse an der ganzen Sache verloren. Er lag knurrend auf dem Boden. Und als Anna ihm den Ball vorsichtig zwischen die Pfoten legte, sah er ihn nur haßerfüllt an und grub gleich seine Zähne hinein. Der Tennisball gab seufzend seinen Geist auf. Pumpel erhob sich, kratzte zweimal mit seinen Hinterpfoten über den Boden und zog sich unter das Bett zurück.
»Er ist wirklich ein gräßlicher Hund«, sagte Anna später zu Max. »Ich weiß nicht, warum Omama sich das gefallen läßt.«
»Ich wünschte, wir hätten das Geld noch, das wir für den Tennisball ausgegeben haben«, sagte Max.
»Wir könnten damit auf die Kirmes gehen.«
Im Dorf sollte ein Jahrmarkt stattfinden - ein jährliches Ereignis, das die Dorfkinder aufgeregt erwarteten. Franz und Vreneli hatten seit Monaten ihr Taschengeld gespart. Anna und Max hatten erst kürzlich davon gehört, und da sie keine Ersparnisse hatten, wußten sie nicht, wie sie daran würden teilnehmen können. Wenn sie zusammenlegten, würde es gerade für eine Karussellfahrt für einen von ihnen langen - und das, sagte Anna, würde schlimmer sein, als gar nicht hinzugehen.
Sie hatte neulich dran gedacht, Mama um Geld zu bitten. Das war am ersten Schultag nach den Ferien gewesen, als niemand von etwas anderem gesprochen hatte, als von dem Jahrmarkt und wieviel Geld zum Ausgeben sie hätten. Aber Max hatte sie daran erinnert, daß Mama versuchte, zu sparen. Wenn sie nach Paris gehen wollten, würden sie jeden Pfennig für den Umzug brauchen.
Mittlerweile machte Pumpel, obwohl man ihn wirklich nicht liebenswert nennen konnte, das Leben doch viel interessanter. Er hatte überhaupt keinen Verstand.
Sogar Omama, die ihn doch kennen mußte, war überrascht. Als sie ihn mit auf den Dampfer nahm, rannte er sofort an die Reling und konnte nur mit Mühe daran gehindert werden, sich über Bord zu stürzen. Als sie das nächste Mal nach Zürich fahren wollte, versuchte sie, ihn mit in den Zug zu nehmen, aber er weigerte sich, einzusteigen. Aber sobald der Zug aus der Station fuhr und Omama und Pumpel auf dem Bahnsteig zurückließ, riß er sich von der Leine und verfolgte ihn, wild bellend, auf den Schienen bis zum nächsten Dorf. Eine Stunde später wurde er ganz erschöpft von einem kleinen Jungen zurückgebracht und mußte für den Rest des Tages ruhen.
»Glaubst du, daß irgend etwas mit seinen Augen nicht stimmt?« fragte Omama.
»Unsinn, Mutter«, sagte Mama, die fand, daß es andere Sorgen gäbe, zum Beispiel wie man nach Paris umzieht, wenn man kein Geld hat. »Und wenn es der Fall sein sollte, was dann? Du kannst ihm doch keine Brille kaufen!«
Es war schade, denn Omama war, trotz ihrer törichten Anhänglichkeit an Pumpel, sehr nett. Auch sie war ein Flüchtling, aber im Gegensatz zu Papa war ihr Mann nicht berühmt. Sie hatten ihren ganzen Besitz aus Deutschland mitnehmen können und lebten jetzt recht behaglich an der Mittelmeerküste. Sie brauchte nicht wie Mama zu sparen, und manchmal dachte sie sich kleine Überraschungen aus, die sich Mama sonst nicht hätte leisten können.
»Könnten wir eigentlich nicht Omama bitten, uns Geld für den Jahrmarkt zu geben?«
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