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Als Hitler das rosa Kaninchen stahl

Als Hitler das rosa Kaninchen stahl

Titel: Als Hitler das rosa Kaninchen stahl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Kerr
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lernen, und wird mir bei der Hausarbeit helfen, wenn sie nicht studiert.«
    Grete schüttelte Anna und Max mit düsterer Miene die Hand.
    »Kannst du schon viel Französisch sprechen?« fragte Max.
    »Nein«, sagte Grete. »Es ist eine sehr schwere Sprache. Manche Leute lernen sie nie.« Dann wandte sie sich an Mama: »Also, ich gehe jetzt ins Bett.«
    »Aber Grete...« sagte Mama.
    »Ich habe meiner Mutter versprochen, daß ich, egal was geschieht, immer genug schlafe«, sagte Grete, »ich habe das Gas unter den Kartoffeln abgedreht. Gute Nacht zusammen.« Und damit ging sie.
    »Sowas!« sagte Mama, »mit dem Mädchen kann man gar nichts anfangen! Aber jedenfalls ist es schön, daß wir bei unserer ersten Mahlzeit in Paris unter uns sein können. Ich zeige euch jetzt euer Zimmer, und ihr könnt euch einrichten, während ich neue Kartoffeln brate.«
    Ihr Zimmer war in einem unangenehmen Gelb gestrichen, und auf den beiden Betten lagen gelbe Überdecken. In der Ecke stand ein Kleiderschrank.
    Dann gab es noch gelbe Vorhänge, einen gelben Lampenschirm und zwei Stühle, sonst nichts. Es wäre 135
    auch kein Platz für weitere Möbel gewesen, denn das Zimmer war, genau wie das Eßzimmer, sehr klein.
    »Was ist draußen vor dem Fenster?« fragte Max.
    Anna schaute hinaus. Es war nicht die Straße, wie sie erwartet hatte, sondern ein Innenhof, der ganz von Mauern und Fenstern eingeschlossen war. Es war wie ein Brunnenschacht. Von unten herauf kam ein blechernes Rappeln. Dort mochten wohl die Mülltonnen stehen, aber man konnte sie wegen der Höhe nicht sehen. Oben sah man nur die unregelmäßigen Umrisse von Dächern und den Himmel. Es war hier sehr anders als im Gasthaus Zwirn und auch ganz anders als in ihrem Berliner Haus.
    Sie packten die Schlafanzüge und Zahnbürsten aus und bestimmten, welches gelbe Bett wem gehören sollte, und dann erkundeten sie die übrige Wohnung.
    Nebenan lag Papas Zimmer. Dort standen ein Bett, ein Schrank, ein Stuhl und ein Tisch mit Papas Schreibmaschine darauf, und die Fenster gingen auf die Straße hinaus. Von Papas Zimmer aus führte eine Verbindungstür in einen Raum, der wie ein kleines Wohnzimmer aussah, aber ein paar von Mamas Kleidern lagen herum.
    »Glaubst du, daß dies Mamas Zimmer ist?« fragte Anna.
    »Es kann nicht sein - es ist kein Bett da«, sagte Max. Es war nur ein Sofa vorhanden, ein Tischchen und zwei Sessel. Max sah sich das Sofa näher an.
    »Es ist ein besonderes Sofa«, sagte er. »Sieh mal« - und er hob den Sitz ein wenig. In einem Hohlraum darunter lagen Bettücher, Decken und Kopfkissen.
    »Mama kann nachts darauf schlafen, und tagsüber kann sie es in ein Wohnzimmer verwandeln.«
    »Das ist sehr praktisch«, sagte Anna, »es bedeutet, daß man das Zimmer doppelt benutzen kann.«
    Es war gewiß notwendig, den Raum der Wohnung gut auszunutzen, denn sie war nicht groß. Sogar der Balkon, den sie sich nach Papas Erzählungen so großartig vorgestellt hatten, war nicht viel mehr als ein Wandbord, das von einem schmiedeeisernen Gitter umgeben war. Neben dem Speisezimmer, das sie schon gesehen hatten, gab es nur noch das winzige Zimmerchen, in dem Grete schlief, ein noch winzigeres Badezimmer und eine kleine viereckige Küche, in der sie Mama und Papa fanden.
    Mama rührte aufgeregt und mit rotem Kopf in einem Topf herum. Papa lehnte gegen das Fenster. Er machte ein besorgtes und ärgerliches Gesicht, und die Kinder hörten ihn sagen: »Aber soviel Umstände werden doch nicht nötig sein.«
    Die Küche war voller Qualm.
    »Natürlich sind sie nötig«, sagte Mama, »was sollen die Kinder denn essen?«
    »Käse und ein Glas Wein«, sagte Papa, und die Kinder brachen in Gelächter aus, weil Mama rief:
    »Oh, du bist hoffnungslos unpraktisch!«
    »Ich wußte gar nicht, daß du kochen kannst«, sagte Anna. Sie hatte Mama nie vorher in der Küche gesehen.
    »In fünf Minuten ist es fertig«, rief Mama, und rührte aufgeregt. »Oh, meine Kartoffeln...!« Sie waren wieder drauf und dran anzubrennen. Sie konnte sie eben noch vom Feuer ziehen. »Ich mache Bratkartoffeln und Rühreier - ich dachte, das eßt ihr gerne.«
    »Prima«, sagte Max.
    »Also, wo ist die Schüssel ... und Salz ... oh!« rief Mama. »Ich muß noch mehr Kartoffeln braten!« Sie schaute Papa flehend an. »Liebster, könntest du mir den Durchschlag reichen?«
    »Was ist ein Durchschlag?« fragte Papa.
    Bis das Essen auf dem Tisch stand, dauerte es noch eine Stunde. Anna war so müde, daß sie gar keinen

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