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Als Hitler das rosa Kaninchen stahl

Als Hitler das rosa Kaninchen stahl

Titel: Als Hitler das rosa Kaninchen stahl Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Kerr
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indem sie Papa und den anderen Leuten zuhörten. Sie konnten »oui« und »non« sagen und »merci« und »aurevoir« und »bonsoir Madame«, und Max war besonders stolz auf »trois billets s’il vous plait«. Das hatte Papa gesagt, als er Fahrscheine für die Metro kaufte.
    »Nun, ihr werdet bald viel mehr können«, sagte Mama. »Ich habe mit einer Dame abgemacht, daß sie herkommt und euch Französischstunden gibt, und morgen nachmittag fängt sie an.«
    Die Dame hieß Mademoiselle Martel, und am folgenden Morgen suchten Anna und Max alles zusammen, was sie für die Stunde brauchen würden. Papa lieh ihnen ein altes französisches Wörterbuch, und Mama brachte Papier, auf dem sie schreiben konnten.
    Das einzige, was keiner finden konnte, war ein Bleistift.
    »Ihr werdet euch einen Bleistift kaufen müssen«, sagte Mama, »an der Straßenecke ist ein Laden.«
    »Aber wir können nicht französisch sprechen«, rief Anna.
    »Unsinn«, sagte Mama, »nehmt das Wörterbuch mit. Ich gebe euch jedem einen Franken, und das Wechselgeld könnt ihr behalten.«
    »Wie heißt Bleistift auf französisch?«
    »Un crayon«, sagte Mama. Ihre Stimme klang nicht so französisch wie Papas Stimme, aber sie kannte eine Menge Wörter. »Jetzt ab mit euch - schnell!«
    Nachdem sie ganz allein mit dem Lift nach unten gefahren waren, fühlte sich Anna ganz unternehmungslustig, und ihr Mut verließ sie auch nicht, als sich herausstellte, daß der Laden sehr elegant war und eigentlich mehr Büroartikel als Schreibwaren verkaufte. Mit dem Wörterbuch unter dem Arm marschierte sie vor Max her durch die Tür und sagte mit lauter Stimme: »Bonsoir, Madame!«
    Der Eigentümer des Ladens machte ein erstauntes Gesicht, und Max stieß sie an.
    »Das ist keine Madame - das ist ein Monsieur«, flüsterte er, »und ich glaube, bonsoir heißt guten Abend.«
    »Oh«, sagte Anna.
    Aber dem Mann, dem der Laden gehörte, schien es nichts auszumachen. Er lächelte und sagte etwas auf französisch, das sie nicht verstehen konnten. Sie lächelten zurück.
    Dann sagte Anna mutig: »Un crayon«, und Max fügte hinzu: »s’il vous plait.«
    Der Mann lächelte wieder, suchte in einem Karton hinter der Theke und brachte einen schönen roten Bleistift zum Vorschein, den er Anna reichte.
    Sie war über ihren Erfolg so überrascht, daß sie »merci« zu sagen vergaß und nur einfach mit dem Bleistift in der Hand stehenblieb. Das war aber leicht!
    Dann sagte Max: »Un crayon«, denn er brauchte auch einen.
    »Oui, oui«, sagte der Mann lächelnd und nickend und wies auf den Bleistift in Annas Hand. Er stimmte mit Max überein, daß dies ein Bleistift war.
    »Non«, sagte Max, »un crayon!« Er suchte nach einem Weg, es zu erklären. »Un crayon«, rief er und wies auf sich selbst, »un crayon!«
    Anna kicherte, denn es sah so aus, als wollte Max sich vorstellen. »Ah«, sagte der Mann. Er nahm noch einen Bleistift aus der Schachte! und reichte ihn Max mit einer kleinen Verbeugung. »Merci«, sagte Max erleichtert. Er gab dem Mann die beiden Franken und wartete auf das Wechselgeld. Es sah so aus, als würden sie nichts herausbekommen. Anna war enttäuscht. Es wäre nett gewesen, ein wenig Geld zu besitzen.
    »Wir wollen ihn fragen, ob er keine anderen Bleistifte hat«, flüsterte sie, »vielleicht gibt es billigere.«
    »Das können wir nicht«, sagte Max.
    »Laß es uns doch versuchen«, sagte Anna, die sehr hartnäckig sein konnte. »Sieh nach, was ›anders‹ auf französisch heißt.« Max blätterte im Wörterbuch, während der Mann ihn interessiert beobachtete.
    Schließlich hatte er es gefunden. »Es heißt ›autre‹«, sagte er.
    Anna lächelte strahlend und hielt ihren Bleistift dem Mann hin: »Un autre crayon?« sagte sie.
    »Oui, oui«, sagte der Mann nach kurzem Zögern.
    Dann gab er ihr einen anderen Bleistift aus der Schachtel. Jetzt hatte sie zwei. »Non«, sagte Anna und gab ihm den Bleistift wieder zurück.
    Sein Lächeln wurde ein bißchen frostig. »Un autre crayon...« Sie machte ein Gesicht und zeigte mit ihren Fingern, um etwas sehr kleines und unbedeutendes anzuzeigen.

Der Mann starrte sie an und wartete, ob sie noch etwas anderes tun würde. Dann zuckte er mit den Schultern und sagte etwas auf französisch, das hoffnungslos klang.
    »Komm«, sagte Max, der rot vor Verlegenheit war.
    »Nein«, sagte Anna. »Gib mir das Wörterbuch!«
    Sie blätterte fieberhaft. Schließlich hatte sie es gefunden. Billig ... bon marche.
    »Un bon marche

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